Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
wies
in Richtung Tür. »Das können Sie sich vom Notarzt erklären lassen.«
Seine gute
Laune begann zu schwinden. »Unkooperativ wie immer, was?« Er trat in den Hausflur
und nahm die ersten Treppenstufen. »Und Sie sind sich sicher, dass der Exitus vor Ihrer Heimkehr eingetreten ist?«
»Das ist
nicht witzig!« Ich versuchte ihm zu folgen, musste jedoch feststellen, dass sich
mein Körper von den Beinen an gegen den Aufstieg sträubte.
Ansmann
bemerkte meine Anstrengung. »Kommen Sie«, ordnete er an.
»Danke.
Aber ich habe genug gesehen.«.
»Blödsinn.
Toter als jetzt kann der Kerl nicht mehr werden.«
Hast du
eine Ahnung, du forensische Null.
»Außerdem
will ich Sie im Auge behalten. Nicht, dass Sie mir wieder klammheimlich die Fliege
machen.«
»Was soll
das denn heißen?«, rief ich ihm hinterher. »Bin ich für Sie etwa so was wie eine
Verdächtige?« Ich nahm zwei Treppenstufen auf einmal, mehrmals hintereinander, was
ich sonst nie tat. Infolgedessen hechelte ich nach Luft, als ich ihn in der zweiten
Etage einholte. Mein lädierter Unterschenkel begann zu kribbeln; ein kleines Souvenir,
verabreicht von einem äußerst angepissten, bewaffneten Holländer. Mittlerweile war
mir klar, dass ich außerordentliches Glück gehabt hatte, denn es hätte genauso gut
in meinem Kopf landen können. Damals allerdings wusste ich nichts, außer dass es
scheiße wehgetan hat.
Ansmann
grinste, was ihm besser stand als sein üblicher Terrierblick. »Im Moment verdächtige
ich Sie nicht. Aber es wäre ja nichts Neues, würden Sie nach einer Stresssituation
wie dieser das Land verlassen.« Er lächelte mich an. Dann schaute er über das Geländer
hinweg zu meiner Wohnungstür und ich sah zu, wie ihm das Lächeln allmählich wieder
abhanden ging. Beinahe stolperte er über die letzte Stufe, weil sein Blick am Gesicht
des Toten klebte. Seine Sohlen quietschten an den Notarzt heran und seine Hände
ballten sich zu Fäusten, die er flugs in seinen Taschen vergrub.
»Kennen
Sie den Mann?«, fragte ich vorsichtig.
Ansmann
erwiderte mit eisigen Augen: »Ich stelle hier die Fragen.«
Der Notarzt,
der vor dem Toten kauerte, sah zu uns hinauf. Feuchte Strähnen pappten an seiner
Stirn. »Sind Sie von der Polizei?«
Ansmann
zog seinen Dienstausweis aus der Tasche. »Kripo Bochum.«
»Kripo?«,
fragte der Doktor zu Recht.
»Ich war
gerade in der Gegend.«
Der Arzt
räusperte sich. »Also. Die Totenstarre setzt ein. Ich konnte Totenflecke im unteren
Beinbereich feststellen, passend zur Lage des Körpers.« Er schob ein Hosenbein des
Toten hoch. Marmorierte, bläuliche Haut schimmerte über dem Sockenrand und mein
Herz begann in Richtung Magen zu rutschen. »Er ist höchstwahrscheinlich hier verstorben.«
»Todesursache?«
Er zuckte
mit den Schultern. »Sieht nicht nach Fremdverschulden aus. Ich gehe von Herzversagen
aus. Vielleicht ein Infarkt.«
Ansmann
machte Telleraugen. »Sie machen Witze. Dieser Mann? Vor der Tür dieser Frau?« Er
zeigte auf mich. »Auf gar keinen Fall.«
Einige Füße,
vier oder sechs, trabten das Treppenhaus hinauf. Offenbar die Besatzung vom Rettungswagen.
Ansmann beugte sich über die Brüstung. »Kripo Bochum. Bleiben Sie unten. Hier gibt
es nichts mehr für Sie zu retten.« Dann eine Pause. »Sind meine Kollegen schon da?«
Von trabenden
Füßen war nichts mehr zu hören. Offensichtlich waren sie auf halbem Wege stehen
geblieben. »Nein«, rief einer der Retter hoch.
Ansmann
nickte die Brüstung hinunter. »Dann schicken Sie sie rauf, wenn Sie sie sehen.«
Er wich zurück und wandte sich wieder dem Notarzt zu. »Stellen Sie den Totenschein
aus?«
Er nickte.
»Was wird
drinstehen?«
»Ich bin
mit der Leichenschau noch nicht fertig.«
»Dann machen
Sie weiter.« Er sah mich an. »Und wir unterhalten uns drinnen.«
»Drinnen?«,
wiederholte ich. »Aber da gibt es nichts zu unterhalten.«
»Ich glaube,
Sie verstehen mich falsch«, raunte er zurück und trat mit großen, leisen Schritten
an mich heran. So nah, dass ich sehen konnte, wie seine Pupillen zu Stecknadelköpfen
einschrumpften, um dem Braun seiner Regenbogenhäute Platz zu machen. »Das hier ist
kein Zirkus und ich bin nicht zu Ihrer Unterhaltung hier! Also los, rein da!« Er
zog die rechte Faust aus der Tasche und ließ den Zeigefinger wie eine Klinge hervorspringen.
Ich zuckte
zusammen, auch wenn ich es längst gewohnt war, dass Ansmann gern die Furie machte.
Die Übellaunigkeit, die urplötzlich über ihn hereingebrochen
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