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Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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war, kaum, dass er
die Leiche gesehen hatte, machte mich allerdings stutzig. Und neugierig. Daher gab
ich nach, ließ zwei Finger in meiner Tasche versinken und zog den dünnen Bund heraus.
Ungeduldig rückte er an mich heran, bis ich sein Rasierwasser riechen konnte. Seine
Windjacke raschelte wie eine Brötchentüte und mir kam der Gedanke an ein zweites
Frühstück.
    »Hallo,
Sie da oben!« Die Sanitäterstimme von vorhin hallte aus dem Treppenhaus.
    Ansmann
trat ans Geländer. »Was ist?«
    »Ihre Kollegen
sind jetzt da. Sollen wir sie hochschicken?«
    »Ja, sicher
sollen Sie das!«
    Quatschende
Schuhsohlen beherrschten den Augenblick. Dann tauchten zwei Gestalten in feucht
geregneten hellblauen Hemden hinter dem Geländer auf. Ein Duo mit Pferdeschwänzen,
der eine Teil weiblich, der andere mit Kinnbart. Das Haar des Mannes war schwarz,
wollig und zwirbelte sich an den Spitzen, seine Augen standen weit auseinander.
Er schien hartgesotten zu sein, auch wenn er wohl kaum über 25 war, denn sein Grinsen
blieb hartnäckig, trotz – oder wegen – der Leiche unter der Klingel. Seine Dienstbegleitung
war blond mit einer Blesse aus ölig glänzendem Make-up. Ihr Teint war anstrengend
anzusehen, blass am Hals, ein Schminkrand unter den Ohrläppchen. Ihre Augenringe
funkelten blau, teilweise lila, und bildeten Furchen wie Reifenspuren auf der Haut.
Ihr Mund war halb geöffnet und es war kaum zu übersehen, dass sie um Fassung rang
und ihr Hirn anstrengte, es möge ihrer linken Hand befehlen, endlich den Ärmel ihres
Kollegen loszulassen. Endlich lockerte sich die Krampfhand.
    »Ist das
der Tote?«, pisperte sie.
    Ansmanns
Wangen färbten sich rosig. Ein ärgerliches Rosa. Er sah den Uniformierten an. »Was
soll die Anwärterin hier?«
    Die Beamtin
stemmte ihre Hände in die Hüften. Sie war winzig, um die 1,65, roch süß nach Abitur
und machte einen schluderigen Eindruck: Ihre Haare standen elektrisiert in alle
Richtungen, ihr Gürtelholster schlang sich lustlos um ihre Taille und ihre Dienstknarre
hing wie ein sperriger Werkzeugkasten an ihrer Hüfte. Bei dem Anblick musste ich
unweigerlich an Corinna Gläser denken, Metins Sekretärin und Azubi bei Tozduman
Securities; und offensichtlich lächelte ich dabei, denn plötzlich starrten mich
alle an.
    Ansmann
hörte als Erster auf damit. »Also, Leute, Schulprogramm.« Er hob die Augenbrauen
und sah zur Blondine, als wäre sie begriffsstutzig. »Erster Angriff.« Er buchstabierte
es fast. »Irgendjemand muss mit dem Notarzt die Leichenschau zu Ende bringen. Dann
solltet ihr euch den Griechen im unteren Geschoss vorknöpfen. Ich bin nicht für
den Kriminaldauerdienst hier, der muss auch angerufen werden, damit der Tatort übergeben
werden kann. Und keiner drückt auf die Klingel hier! Ich will wissen, ob der Tote
das getan hat.« Er wandte sich an mich. »Ziehen Sie sich was an.«
    »Mir ist
nicht kalt.«
    »Ihnen wird
gleich kalt werden, wenn wir zur Wache fahren.«
    »Ich will
aber nicht zur Wache!«
    Die Anwärterin
bemühte sich erst gar nicht, ihren Hohn zu verbergen, sondern ließ ein Kichern entlang
des Gaumens rollen. Ansmann mochte keinen Spott. Seine rosigen Wangen wechselten
ins Tomatige, wenige Nuancen unter fuchsteufelsrot.
    »Los jetzt!«,
fuhr er mich an und wies erneut auf meine Tür. Ich ließ meine Schlüssel zwischen
den Fingern klimpern und überlegte, ob ich weiter aufmucken sollte, schloss dann
aber – nach fast drei Monaten Abwesenheit – die Tür auf. Ansmann trat nach mir in
den Flur.
    Dann wurde
es zappenduster.
    Sämtliche
Rollläden in meiner Bude waren heruntergelassen und ließen höchstens ein paar Fetzen
Licht in die Zimmer. Die bleierne Schwärze drückte von oben auf mich herab. Ich
mochte keine Dunkelheit, und ich hasste es regelrecht, wenn man die eigene Hand
vor Augen nicht sehen konnte. Im Flur roch es nach moderiger Pappe und alter Wäsche.
Der Mief schnürte mir die Kehle zu und in Kombination mit der Lichtlosigkeit führte
das zu einer Hysterie, die für mich völlig neu war. Meine Lungenflügel flatterten,
mein Herz hämmerte und der Schwindel fühlte sich träge und frustrierend an, weil
mir nicht schwärzer vor Augen werden konnte, als es ohnehin schon war. Ich hörte
mich. Ich schnaufte.
    »Alles in
Ordnung mit Ihnen? Wo haben Sie Licht?« Ansmanns Stimme war ganz nah. Ich hörte,
wie seine Schuhe auf dem Parkettboden knatschten. Aber ich erinnerte mich nicht
mehr, wo ich war. Ich glaubte, ich sei im Flur; der Raum fühlte

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