Transfer (German Edition)
nachgelassen und der befürchtete Tsunami
war bisher ausgeblieben. Lediglich letzte Reste der Regenfront lagen wie dunkle
Schatten vor den Sternen. Über dem Dach des Urwalds zuckten nur noch hin und
wieder letzte, weit entfernte Blitze auf.
Das Grabungsfeld selbst lag bereits
in tiefer Dunkelheit, in der die Positionslichter auf den Stahlglaskuppeln, die
die Schächte schützten, aussahen, als wären kleine leuchtende Perlen aus dem
schwarzen Teppich des Himmels geschüttelt worden.
Ihr Licht erschien
Baillard so kalt und gnadenlos wie das der wenigen sichtbaren Sterne, die
schweigend durch die Lücken in den dunklen Wolken leuchteten.
Auch der Dschungel war
wieder zu seiner besonderen unterdrückten Stille zurückgekehrt. Einige der
wenigen nachtaktiven Tiere Blossoms machten sich bereits zwischen den dunklen
Bäumen bemerkbar, Holz knackte und Blätter rauschten, doch selbst diese
vereinzelten Lebenszeichen waren seltsam gedämpft und dauerten nicht an. Die
langsam heraufziehende Nacht verschluckte jeden Laut.
Baillard war seltsam
erleichtert, als er endlich die Kuppel des Hauptschachts erreichte. Er hatte
die Dunkelheit ohnehin nie sonderlich gemocht und die angespannte Atmosphäre
des nächtlichen Dschungels war ihm alles andere als geheuer. Niemand hatte sich
bisher ernsthaft die Mühe gemacht, die Flora und Fauna Blossoms eingehender zu
untersuchen, deshalb war nicht einmal abzusehen, welche Gefahren in diesem
undurchdringlichen Urwald bei Nacht lauern mochten.
Aufatmend passierte der
Xenoarchäologe die Außenschleuse, drückte hastig eine Taste auf der
Kontrolltafel des Lastenaufzugs und glitt in die Tiefe. Das leise Summen des
Lifts schien in der Stille des Schachtes anzuschwellen und sich mit dem Brummen
der Lufterneurungsanlage zu einem für ihn beinahe ohrenbetäubenden Lärm zu
vermischen, je tiefer er kam. Die Fahrt dauerte höchstens zwanzig Sekunden,
aber für Baillard verging die Zeit quälend langsam. Das Artefakt war so etwas
wie seine ganz persönliche Belohnung für die Strapazen und Demütigungen der
letzten Jahre: so schwer verdient, als hätte er es persönlich mit bloßen Händen
ausgegraben.
Endlich unten angekommen,
sprang er von der offenen Plattform und durchquerte mit schnellen Schritten die
Grube, bis er endlich den schwachen Lichtschein aus dem aktuellen
Grabungstunnel erreichte. Er schritt durch den schlecht erleuchteten Gang, bis
er wieder die große Kaverne erreicht hatte. Unterwegs kamen ihm bereits mehrere
schwer beladene Servomaten entgegen, die das ausgehobene Erdreich aus dem
Tunnel abtransportierten. Die Arbeitsroboter wichen trotz ihrer plumpen,
kastenförmigen Gestalt erstaunlich geschickt beiseite, brummten leise und
fuhren auf ihren Gleisketten rasselnd weiter in die Dunkelheit. Kurz darauf
stand er in dem Tunnel, in dem sie das Artefakt entdeckt hatten.
Einige Bohrkerne lagen
auf dem Boden und in einem Arbeitsgerüst hingen ein kleiner Gravoscanner und
diverse Sondierungsgeräte. Starke Scheinwerfer auf einem Ausrüstungswagen in
der Mitte des schmalen Stollens tauchten die Szene dahinter in eine strahlende
Helligkeit, in der sich einige irritierende Effekte zeigten: Hier und dort
schien sich die Konsistenz der Wandsegmente zu verändern, an anderen Stellen
huschten seltsame Lichtreflexe über die schimmernde Oberfläche des Artefakts.
Elgin und die anderen
Mitglieder des Grabungsteams hatten ihn also trotz ihrer Bedenken nicht im
Stich gelassen. Das Artefakt ragte, teilweise freigelegt, bereits mehrere Metern
aus dem Boden und der Hinterwand des Tunnels: eine glatte, leicht gekrümmte,
metallisch schimmernde Oberfläche, die selbst nach den unzähligen Jahrtausenden
im Erdboden wie frisch poliert wirkte.
Eine der Hilfskräfte war an der
Hinterwand des Tunnels damit beschäftigt, mit Hilfe von zwei leistungsstarken
Servomaten weitere Abschnitte des geheimnisvollen Artefakts freizulegen.
"Wo sind die
anderen?", fragte Baillard überrascht, als ihm endlich auffiel, dass
abgesehen von ihnen niemand zugegen war. Außer Elgin arbeiteten allein in
diesem Grabungsteam noch ein Techniker sowie vier Studenten und Hilfskräfte,
und er hatte Elgin die ausdrückliche Anweisung gegeben, die Grabungsteams aus
den anderen Schächten abzuziehen, um das Artefakt zügig freizulegen.
"Mister Elgin ist
mit Raffaelli und Kuruhira in das neue Bohrloch hinabgestiegen, und Previn und
Castori werten gerade die letzten Sondierungsergebnisse aus", erwiderte
der Mann, an dessen Namen
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