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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wolltest.«
    Eines Nachts, schon sehr spät, ruhten wir, von der Liebe ermüdet, und Eris seitlich gekehrtes Gesicht lag in der Biegung meines EIl-bogens. Wenn ich hochblickte, konnte ich direkt gegenüber, durch das offene Fenster, die Sterne zwischen den Wolken sehen. Es gab keinen Wind, der Vorhang über der Fensterbank erstarrte zu einem weißen Phantom, aber vom offenen Ozean kam eine tote Welle, und ich hörte ein anhaltendes Dröhnen, das sie ankündigte, dann ein ungleichmäßiges Rauschen, mit dem sie am Strand zerbrach, dann herrschte wieder einige Herzschläge lang Stille, und wieder stürmten die unsichtbaren Gewässer das flache Ufer. Aber ich hörte diese sich regelmäßig wiederholende Erinnerung an die irdische Existenz kaum, schaute mit weitgeöffneten Augen das Kreuz des Südens an, dessen Beta unsere Führerin gewesen war; ich hatte jeden Tag mit ihren Messungen begonnen, so daß ich sie am Ende ganz automatisch und mit anderen Gedanken beschäftigt vornahm; sie führte uns uhbeirrbar, jene nie ausgehende Laterne der Leere. Ich spürte fast in meinen Händen den Druck der Metallgriffe, die ich verschob, um den Leuchtpunkt, die Spitze der Finsternis, ins Zentrum des Blickfeldes einzuführen, wobei die weichen Gummiringe der Brille meine Brauen und Wangen umfaßten. Dieser Stern, einer der entferntesten, hatte sich am Ziel fast gar nicht verändert, während das ganze Kreuz des Südens schon längst zerfiel und für uns zu existieren aufhörte, da wir ins Innere seiner Arme gelangten; und dann hörte jener weiße Punkt, jener Sternriese auf, das zu sein, was er am Anfang schien: eine Herausforderung; seine Unveränderlichkeit verriet uns ihre wirkliche Bedeutung, war das Zeugnis der Nichtigkeit unseres Tuns, der Gleichgültigkeit der Leere, des Weltalls, mit der sich niemals jemand abfinden wird.
    Jetzt aber, zwischen dem Rauschen des Pazifiks, versuchte ich den Atem von Eri zu hören, und glaubte kaum noch an diese Dinge. Ich konnte schweigend wiederholen: »Ich bin wirklich, ja, wirklich dort gewesen« - aber diese Bestätigung schwächte mein uferloses Staunen durchaus nicht ab. Eri zuckte zusammen. Ich wollte weiterrücken, ihr mehr Platz verschaffen, aber plötzlich spürte ich ihren Blick.
    »Schläfst du nicht?« flüsterte ich. Ich beugte mich über sie, wollte mit meinem Mund den ihrigen berühren, aber sie legte die
    Fingerspitzen auf meine Lippen. So hielt sie sie eine Weile, glitt dann damit über mein Schlüsselbein bis zur Brust, fuhr um eine harte Vertiefung zwischen den Rippen herum und drückte ihre Handfläche daran.
    »Was ist das?« flüsterte sie.
    »Eine Narbe.«
    »Was war denn das?«
    »Ich hatte einen Unfall.«
    Sie verstummte. Ich spürte, daß sie mich ansah. Sie hob den Kopf. Ihre Augen waren nur Dunkelheit, ohne Licht, ich sah kaum den Umriß ihres Armes, atmend und weiß.
    »Warum sagst du nichts?« flüsterte sie.
    »Eri… «
    »Warum willst du nicht sprechen?«
    »Von den Sternen?« verstand ich plötzlich. Sie schwieg. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
    »Meinst du, ich würde es nicht verstehen?«
    Ich sah sie so nahe an, durch die Dunkelheit, durch das Rauschen des Ozeans, das das Zimmer füllte und wieder verließ, und wußte nicht, wie ich es ihr erklären sollte. »Eri…«
    Ich wollte sie in die Arme nehmen. Sie löste sich aber und setzte sich im Bett auf.
    »Du brauchst nicht zu sprechen, wenn du nicht willst. Aber sag, warum. «
    »Weißt du es nicht? Wirklich?«
    »Jetzt weiß ich es bereits. Du wolltest mich.., schonen?«
    »Nein. Ich habe ganz einfach Angst.«
    »Wovor?«
    »Das weiß ich selber nicht so recht. Ich will das alles nicht aufwühlen. Ich lasse da nichts aus. Es wäre auch ganz unmöglich. Aber sprechen - würde - so scheint mir - bedeuten - sich in all dem einzuschließen. Vor allem vor dem, was es gibt.., jetzt…«
    »Ich verstehe«, sagte sie leise. Der weiße Flecken ihres Gesichts verschwand, sie ließ den Kopf hängen. »Du meinst, ich halte es für nichts Beson…«
    »Nein, nein«, versuchte ich sie zu unterbrechen.
    »Warte, jetzt rede ich. Was ich über die Astronautik denke, und auch die Tatsache, daß ich selbst die Erde nie verlassen würde, das ist eine Sache. Dies hat aber mit dir und mir nichts zu tun.
    Oder eigentlich schon: denn wir sind ja zusammen. Anders - wären wir es nicht, niemals. Sie ist für mich - du. Daher möchte ich so sehr.., aber du mußt nicht. Wenn es so ist, wie du sagst. Wenn du es so

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