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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Dann den roten. Etwas brauste, das war kein Wasser, sondern ein sturmartiger Wind, der nach Ozon und noch etwas anderem roch: er umfing mich ganz, auf der Haut blitzten jetzt dichte, leuchtende Tropfen, schäumten und verflüchtigten sich, ich spürte keinerlei Feuchtigkeit, nur eine Unmenge weicher, elektrischer Nadeln, die meine Muskeln massierten. Probeweise drückte ich auf den blauen Knopf, und der Wind veränderte sich
    - er schien durch mich hindurchzugehen - ein recht eigenartiges Gefühl.
    >Wenn man sich daran gewöhnt<, dachte ich, >kann man es gerne haben.< Im ADAPT auf Luna hatten sie so etwas nicht - dort gab es gewöhnliche Badezimmer. Warum, weiß ich nicht. Das Blut zirkulierte nun lebhafter, ich fühlte mich pudelwohl, wußte nur nicht, womit und wie ich mir die Zähne putzen sollte. Endlich schenkte ich’s mir. In der Wand gab es noch eine kleine Tür mit der Aufschrift: BADEMANTEL. Ich sah hinein. Von Bademänteln keine Spur, nur drei syphonähnliche Metallflaschen standen da. Aber ich war sowieso nicht mehr naß und brauchte mich nicht
    abzutrocknen.
    Ich machte das Schränkchen auf, in das ich meine Kleider hineingelegt hatte, und war erstaunt: es war leer. Ein Glück noch, daß ich meinen Slip oben auf diesen Schrank gelegt hatte. Ich kehrte im Slip ins Zimmer zurück und fing an, das Telefon zu suchen, um zu erfahren, was mit meinen Kleidern geschehen war. Mir kam das alles ziemlich umständlich vor. Das Telefon entdeckte ich endlich am Fenster-wie ich den Fernsehschirm immer noch in Gedanken nannte. Es sprang aus der Wand, als ich laut zu fluchen anfing; es reagierte wohl auf die Stimme. Eine idiotische Manie, alles in den Wänden zu verstecken. Die Rezeption meldete sich. Ich fragte nach meinen Kleidern.
    »Sie haben sie in den Reiniger getan, mein Herr«, sagte eine weiche Baritonstimme. »In fünf Minuten sind sie wieder da.«
    >Auch schöre, dachte ich. Ich setzte mich an den Schreibtisch.< dessen Platte sich eilfertig unter meine Ellbogen schob, kaum daß ich mich gebückt hatte. Wie geschah das? Man soll sich für derlei Dinge nicht interessieren; die meisten Menschen nutzen die Technologie ihrer Zivilisation, ohne sie zu begreifen.
    Ich saß da, nackt, im Slip, und überlegte verschiedene Möglichkeiten. Ich könnte zum ADAPT gehen. Ginge es dabei nur um die Einführung in Technik und Sitten, würde ich nicht lange überlegen. Doch hatte ich bereits auf Luna gemerkt, daß sie zugleich versuchten, jedem eine bestimmte Einstellung beizubringen. Sie kamen mit einer schon fertigen Wertskala an, und wenn man sie nicht als seine eigene anerkannte, erklärten sie das - wie alles überhaupt - mit Rückständigkeit, unterbewußten Widerständen, Routine der alten Gewohnheiten und so weiter. Ich hatte durchaus nicht die Absicht, auf meine Gewohnheiten und Widerstände zu verzichten, solange ich nicht überzeugt war, daß das, was sie mir boten, besser wäre. Die Lehren der letzten Nacht hatten diese meine Entscheidung gar nicht beeinflußt. Ich wollte keine Schule, keine Rehabilitation - und schon ganz bestimmt nicht so brav und so plötzlich. Interessant, warum sie mich dieser »Betrisierung« nicht unterworfen hatten. Das mußte ich herausbekommen.
    Ich konnte einen von ihnen suchen: Olaf. Dies wäre schon eine deutliche Überschreitung der ADAPT-Empfehlungen. Ja, denn sie befahlen gar nichts, sie wiederholten fortwährend, daß sie in meinem Interesse handelten und daß ich tun könnte, was ich
    wollte: sogar direkt vom Mond auf die Erde springen - das war der witzige Doktor Abs -, wenn ich es so eilig hätte. Ich nahm keine Rücksicht auf den ADAPT, aber Olaf könnte das vielleicht nicht passen. Jedenfalls wollte ich ihm schreiben. Die Adresse hatte ich. Arbeit. Sollte ich mir einen Job suchen? Als Pilot? Und was dann - Kursflüge Mars-Erde-Mars machen? Das verstand ich gut, aber…
    Plötzlich kam mir der Gedanke, daß ich doch Geld hätte. Eigentlich war es kein Geld, es hieß anders, aber ich begriff den Unterschied nicht, man konnte dafür doch alles haben. Ich bat um Verbindung mit der Stadt. Im Hörer pulsierte ein ferner Gesang. Das Telefon hatte keine Zahlen, auch keine Drehscheibe, vielleicht sollte man den Namen der Bank nennen? Ich hatte ihn auf einem Zettel notiert, der Zettel war - im Anzug. Ich schaute ins Bad: der Anzug lag schon im Schränkchen, frisch gereinigt, in den Taschen befand sich mein ganzer Kleinkram, auch der Zettel.
    Die Bank war keine Bank- sie hieß Omnilox.

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