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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ADAPT in den Sinn kam. Ich rief ihn an und erklärte, daß ich ihren Mann auf dem Terminal nicht finden konnte.
    »Wir waren schon beunruhigt, Ihretwegen«, sagte eine Frauenstimme, »aber heute morgen erfuhren wir, daß Sie im Alcaron wohnen…»
    Sie wußten, wo ich jetzt war. Warum haben sie mich auf dem
    Bahnhof nicht finden können? Anders konnte es gar nicht sein: ich sollte absichtlich umherirren, um zu verstehen, wie verfrüht meine »Rebellion« auf Luna gewesen war.
    »Ihr habt eine fabelhafte Information«, sagte ich höflich. »Vorläufig besichtige ich die Stadt. Werde mich später bei euch melden.« Ich verließ das Zimmer: die Gänge, silbern und beweglich, flossen vollständig mitsamt den Wänden weiter - für mich eine Neuigkeit. Mit dem Aufzug fuhr ich nach unten, bei den einzelnen Stockwerken flogen Bars an mir vorbei, die eine war grün, wie in Wasser getaucht, jedes Stockwerk hatte seine eigene dominierende Farbe, Silber, Gold, allmählich wurde es mir zuviel. Nach einem Tag! Eigenartig, daß sie es mochten. Komischer Geschmack. Doch dann erinnerte ich mich an das nächtliche Bild des Terminals.
    Ich muß mich mit etwas Kleidung versorgen: mit dieser Entscheidung kam ich auf die Straße. Der Tag war wolkig, der Himmel mit lichtem Gewölk bedeckt, und manchmal schien die Sonne hindurch. Jetzt erst sah ich von einem Boulevard - dessen Mitte eine doppelte Reihe von Riesenpalmen einnahm, Blätter rosa wie Zungen - das Stadtpanorama. Die Gebäude standen einzeln wie Inseln, selten nur schoß ein Nadelbau in den Himmel, wie ein erstarrter Strahl fließenden Baumaterials, von einer unwahrscheinlichen Höhe. Diese Bauten waren sicher kilometerhoch. Ich wußte - jemand hat es mir noch auf Luna gesagt -, daß man sie jetzt nicht mehr errichtet und daß der Drang zur Höhe kurz nach ihrem Bau eines natürlichen Todes gestorben war. Sie waren das Denkmal einer Architekturepoche, denn abgesehen von ihrer Riesenhaftigkeit, die nur durch ihre Schlankheit nivelliert wurde, boten sie dem Auge nichts: Sie sahen wie dunkelbraun-goldene, schwarz-weiße, quergestreifte oder silberne Röhren aus, die die Wolken stützen oder sie einfangen sollten. Und die Landeplätze, die aus ihnen am Himmel emporragten, auf rohrartigen Trägern in die Luft hinausgeschoben, ähnelten kleinen Bücherregalen.
    Gar kein Vergleich mit den neuen Häusern, die fensterlos, aber viel hübscher waren; denn man konnte nun sämtliche Wände schmücken. Die ganze Stadt sah wie eine gigantische Kunstausstellung aus, ein Festival der Meister von Farbe und Form. Ich kann nicht behaupten, daß mir alles, was diese zwanzig oder dreißig Stockwerke hohen Bauten schmückte, gut gefiel, aber für einen Kerl von hundertfünfzig Jahren war ich nicht übermäßig von
    gestern. Am besten gefielen mir Häuser, die durch Gärten halbiert wurden - vielleicht waren es Palmenhäuser -, weil der Bau dadurch in der Mitte aufgeteilt und wie auf einem Luftkissen schwebend erschien - die Wände dieser Hochgärten waren aus Glasmaterial-, es entstand dabei ein Effekt von Leichtigkeit, und zugleich zerschnitten unregelmäßige Streifen eines zottigen Grüns den Bau auf angenehme Weise.
    Ueber die Boulevards, entlang jener fleischigen Palmen, die mir durchaus mißfielen, bewegten sich zwei Ströme schwarzer Autos. Ich wußte bereits, daß man sie Glider nannte. Über den Häusern zeigten sich auch andere, fliegende Maschinen, weder Hubschrauber noch Flugzeuge, sie sahen wie an beiden Enden zugespitzte Bleistifte aus.
    Auf den Gehsteigen gab es nur wenig Menschen, nicht so viele wie vor hundert Jahren. Den Verkehr hat man weitgehend entlastet, besonders den Fußgängerstrom, vielleicht durch die Vielzahl von Ebenen: denn unter der Stadt, die ich nun sah, zogen sich niedrigere, unterirdische Stockwerke mit Straßen, Plätzen, Kaufhäusern hin- eben sagte mir an einer Ecke der Infor, daß für die Einkäufe die Etage Serean am günstigsten sei. Das war irgendein genialer Infor, oder vielleicht verstand ich mich schon besser verständlich zu machen, jedenfalls gab er mir ein Plastikbüchle in mit vielen zerlegbaren Seiten: den städtischen Verkehrsplan. Wollte ich irgendwohin gelangen, so drückte ich auf die in Silber gedruckten Namen - Straße, Stockwerk, Platz -, und gleich leuchtete auf dem Plan der volle Umkreis aller Verbindungen auf, die ich benötigte. Ich konnte auch mit einem Glider hinfahren. Oder mit einem Rast. Endlich konnte ich auch zu Fuß gehen - deshalb

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