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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wollte, suchte, brauchte nun nichts mehr, es genügte, blind in die -ser Dunkelheit durch raschelndes Dickicht zu gehen. Habe ich mir das zehn Jahre lang so vorgestellt?
    Die Sträucher teilten sich. Eine kleine, krumme Allee. Winzige Kieselsteine knirschten unter meinen Füßen und leuchteten schwach, die Dunkelheit war mir lieber. Ich ging weiter, gerade aus, dahin, wo unter einem steinernen Rundbau sich eine menschliche Silhouette abzeichnete. Ich wußte nicht, woher das Licht stammte, das sie umgab. Leer war es dort, rundum Bänke, kleine Sessel, ein umgekipptes Tischchen, tiefer und schütterer Sand, ich fühlte meine Beine darin versinken. Wie warm er trotz der nächtlichen Kühle war.
    Unter dem Gewölbe, das auf zersprungenen, bröckeligen Säulen ruhte, stand eine Frau, als hätte sie auf mich gewartet. Ich sah bereits ihr Gesicht, zitternde Funken in den kleinen, diamantenen Platten, die ihre Ohren verdeckten, ihr weißes, im Schatten silbern schimmerndes Kleid. Es war nicht möglich. Ein Traum?
    Ich befand mich kaum ein paar Schritte von ihr entfernt, als sie zu singen anfing. Unter den blinden Bäumen klang ihre Stimme schwach, fast kindisch, ich verstand die Worte nicht, vielleicht gab es auch keine - ihr Mund war halb offen, als wollte sie trinken, im Gesicht keine Anzeichen von Anstrengung, nichts außer Verzückung, als sähe sie etwas, was man nicht sehen kann, und sänge eben davon. Ich hatte Angst, sie könnte mich sehen, und ging immer langsamer. Nun befand ich mich bereits im Bereich des Lichts, das den steinernen Rundbau umgab.
    Ihre Stimme wurde stärker, sie rief die Dunkelheit an, reglos, ihre Arme hingen herunter, als hätte sie sich vergessen, als hätte sie nichts mehr außer ihrer Stimme, mit der sie ging und in der sie sich verlor; es schien, als würde sie alles veräußern, alles abgeben und verabschieden in dem Bewußtsein, daß mit dem letzten, sterbenden Ton nicht allein der Gesang beendet sein würde. Ich wußte nicht, daß so etwas möglich war.
    Sie verstummte, und ich hörte immer noch ihre Stimme. Plötzlich ertönten hinter mir leichte Schritte, irgendein Mädchen lief auf die Stehende zu, von einem anderen gefolgt, es lief mit einem kurzen, gutturalen Lachen die Stufen hinauf und durch die andere hindurch - schon rannte es weiter. Der Mann, der hinter ihr war, warf eine dunkle Silhouette dicht neben mir, sie entschwanden. Ich hörte zum zweiten Mal das lockende Lachen des Mädchens und stand da wie ein Klotz im Sand eingerammt, ohne zu wissen, ob ich lachen oder weinen sollte; die nicht existierende Sängerin summte leise. Ich wollte es nicht mehr hören. Ich ging zurück in die Dunkelheit mit versteinertem Gesicht, wie ein Kind, dem die Lüge eines Märchens bewiesen worden war. Ich ging, und ihre Stimme verfolgte mich.
    Ich wendete, die Allee führte weiter, ich sah ein schwaches Leuchten von Hecken, nasse Laubgirlanden hingen über einer Metallpforte. Ich tat sie auf. Dort schien es irgendwie heller zu sein. Die Hecken endeten bei einer großen Wiese, aus dem Gras hoben sich Felsblöcke ab, einer von ihnen bewegte sich, wuchs empor, ich sah zwei blasse Augenflämmchen. Ich erstarb. Es war ein Löwe.
    Er stand auf, erhob sich schwerfällig, erst auf die Vorderpfoten, nun sah ich ihn ganz, nur fünf Schritte entfernt, er hatte eine magere, verfilzte Mähne, reckte sich einmal, zweimal mit einer langsamen, welligen Schulterbewegung und kam völlig lautlos auf mich zu.
    Ich hatte mich wieder gefaßt. »Na, na, jage mir nur keine Angst ein«, sagte ich. Er konnte doch nicht echt sein - ein Phantom, wie meine Sängerin, wie die anderen, da unten, bei den schwarzen Autos-, er gähnte, nur einen Schritt vor mir, im dunklen Schlund blitzten die Zähne auf, er schloß seinen Rachen mit dem Gerassel eines verriegelten Drahtverhaues, ich fühlte seinen stinkenden Atem, was…
    Er prustete. Ich fühlte Speicheltröpfchen, und ehe ich noch Zeit hatte zu erschrecken, schubste er mich mit seinem Riesenkopf in die Hüfte, schnurrte, rieb sich an mir, ich fühlte ein idiotisches Kitzeln in der Brust…
    Er schob mir seine Wamme mit loser, schwerer Haut zu. Nur halb bewußt fing ich an, ihn zu kraulen, zu zausen, er schnurrte immer lauter, hinter ihm blitzte ein zweites Augenpaar auf, ein zweiter Löwe, nein, eine Löwin, die ihn mit der Schulter anstieß. Aus seiner Kehle kam ein Grollen, es war ein Gebrumm, kein Gebrüll. Die Löwin ließ nicht locker. Er schlug sie mit der Pfote. Sie

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