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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schmeckt er? Nach Stahl und Eisen?«
    »Probieren Sie! Weich wie eine zärtliche Frauenhand …«
    »Er muß es wissen!« fuhr Karsanow giftig dazwischen. »Da kennt er sich aus, der gospodin aus Deutschland! Was halten Sie davon, Genosse General? Ich schlafe ahnungslos, und in dieser Zeit holt er sich eine Dirne in unser Abteil!«
    »Es ist unverzeihlich, daß Sie geschlafen haben!«
    Der General lachte, nahm den Plexiglasbecher, schnupperte an dem Kognak und trank ihn dann mit kleinen, genußvollen Schlucken.
    Ein Mann, mit dem man reden kann, dachte Forster befreit. Es wird Karsanow nicht gelingen, den General für Milda zu interessieren.
    »Erstaunlich!« Er setzte den Becher ab. »Diese Spanier! Aber unser grusinischer Kognak ist besser.«
    »Natürlich!«
    Forster nickte höflich und schraubte die Reiseflasche wieder zu. Karsanow, der keinen Alkohol trank, schlürfte den Rest seiner aufgetauten Milch aus der gewachsten Tüte.
    »Ich nehme an, Herr General, Sie gehen durch den Zug und sammeln Unterschriften gegen den Tenor?«
    »So ist es!«
    Der General griff in den Uniformrock und holte ein gefaltetes Papier hervor.
    »Früher war das einfacher! Da genügte ein Befehl – hupp, war der Kerl draußen! Aber heute? Alles zu lasch geworden, zu liberal, verweichlicht, die ganze Menschheit! Was antwortet mir dieser Schaffner Mulanow, als ich verlange, er solle diesen Tenor zur Ordnung rufen? ›Genosse General, Kostja Abramowitsch Worobjew hat eine gültige Fahrkarte wie Sie und bis Chabarowsk gebucht. Da kann man gar nichts machen!‹ Das sagt dieser Kretin zu mir, meine Herren. Kostja Abramowitsch Worobjew heißt also die singende Kanaille!«
    »Ein bekannter Sänger!«
    Karsanow beging den unverzeihlichen Fehler, das zu sagen. Als er seinen Mißgriff erkannte, war es zu spät. Er mußte den Satz vollenden, auch wenn der General erstarrte.
    »In Moskau, im Bolschoi-Theater, habe ich ihn als ›Troubadour‹ gehört. Die Leute haben gejubelt und getrampelt …«
    »Ich jubele nicht!« rief der General erbost. Er faltete sein Papier auseinander und streckte es Karsanow unter die Nase. »Unterschreiben Sie, Genosse?«
    »Selbstverständlich!«
    Pal Viktorowitsch beeilte sich, aus dem Rock einen Kugelschreiber zu reißen und seinen Namen unter die Resolution zu setzen. Dann hielt er den Stift Forster hin.
    Der General winkte ab.
    »Unser deutscher Gast soll nicht mit internen sowjetischen Problemen belastet werden«, sagte er. »Er soll ungestört reisen. Wenn Sie sich allerdings auch belästigt fühlen, gospodin …«
    »Nicht von dem Tenor«, sagte Forster. »Es gibt andere Dinge …«
    »Sie haben eine Beschwerde, gospodin?« Der General faltete das Papier zusammen und steckte es in den Uniformrock zurück.
    Karsanow war es, als sträubten sich ihm die Haare.
    »Werner Antonowitsch meint die Eier im Speisewagen. Zu hart! Und der Kaffee – zu dünn! Und das Brot, na, man kennt das ja …«
    »Alles zu lasch geworden, ich sage es ja immer, meine Herren!« Der General erhob sich. »Es hat mich gefreut, Sie kennengelernt zu haben! Vielleicht spielen wir mal eine Partie Schach miteinander?«
    Er grüßte und verließ das Abteil.
    Karsanow streckte seine Beine aus und starrte Forster böse an. »Sie wollten mich in Verlegenheit bringen, nicht wahr?« fragte er heiser. »Aber das gelingt Ihnen nicht! Auch unter Generälen gibt es Trottel, wie Sie sehen. Uniform schützt nicht vor Verkalkung. Sie sind ein hinterlistiger Mensch, Werner Antonowitsch!«
    »Wir könnten die besten Freunde sein, wenn Sie Milda in Ruhe ließen.«
    »Und wenn nicht?«
    »Spiele ich mit dem General Schach.«
    »Sie können ja gar kein Schach!«
    »Genau! Ich werde sagen, daß Sie mich so nervös machen, daß ich alle Logik verliere.«
    »Gemein! Hundsmäßig gemein!« Karsanow starrte aus dem Fenster. Wald, Wald – nur unendlicher, im Frost erstarrter Wald.
    »Das wird eine schöne Reise werden!«
    »Sie ist es schon.«
    Dann schwiegen beide.
    Sie blickten durchs Fenster, sie taten so, als sei jeder allein im Abteil. Aber sie wußten beide, daß es nur eine Atempause war. Ihr kleiner zäher Privatkrieg würde weitergehen …

IV
    Milda hatte bei Mulanow ihre angeblichen Prozente abgegeben, das Geld, das Forster ihr geschenkt hatte. Damit hatte sie ihre Legitimation erhalten, in diesem Zug ›arbeiten‹ zu dürfen.
    Jetzt saß sie bei Klaschka im Abteil.
    Das ältere Ehepaar frühstückte noch im Speisewagen, das junge, etwas verschüchterte

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