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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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setzte sich wieder neben Forster.
    Sie schlang den Arm um seine Hüfte, und das war nicht nur Zärtlichkeit, sondern das war zwischen ihnen abgesprochen. Sie hatten eine Zeichensprache ausgemacht und eingeübt. Einmal kneifen, das hieß: setz den Bauern ein! Zweimal: jetzt den Turm! Dreimal: du mußt den Springer nehmen! Einmal streicheln: komm mit dem Läufer heraus! Zweimal streicheln: jetzt der König! Dreimal streicheln: paß auf die Dame auf!
    Karsanow blickte kurz hoch. Dieses Liebespaar störte ihn gewaltig, es lenkte ihn zu sehr ab. »Rücken Sie von Werner Antonowitsch weg!« sagte er grob zu Milda.
    »Das steht aber in keiner Spielregel, Pal Viktorowitsch!« erwiderte Forster.
    »Natürlich nicht –, aber es irritiert mich!«
    »Konzentration ist alles, Karsanow.« Der Deutsche grinste. »Ein Wort von Ihnen!«
    Milda schob ihre Hand unter Forsters Hemd. Nun lagen ihre Finger auf seiner Haut und ihre Zeichen konnten nicht deutlicher sein.
    Aber als sie seinen Körper berührte, zum erstenmal seine nackte Haut spürte, da durchzog sie ein Gefühl herrlicher Schwere und unsagbarer Sehnsucht. Ich fühle ihn, dachte sie. Ich habe Besitz genommen von einem Teil seines Körpers. Ich spüre die Wärme seines Blutes.
    Wie schön ist das, wie unbeschreiblich schön …
    Karsanow hatte endlich seinen Zug gefunden. Er ließ einen Springer hüpfen und sagte dann zufrieden: »So! Das haben Sie nicht erwartet, was?«
    Milda signalisierte: Einmal streicheln! Den Läufer also. Forster überblickte das Spiel, suchte den in Frage kommenden Läufer und schob ihn vor.
    Karsanow schnaufte durch die Nase.
    »Gemein!« sagte er. »Ein hundsgemeiner Zug, Werner Antonowitsch! Daß Sie nicht spielen können, sehe ich … aber Sie haben einen Instinkt wie eine Hyäne! Ruhe jetzt!«
    Dabei hatte niemand etwas gesagt.
    Karsanow versenkte sich in die Aufstellung der Figuren und suchte eine Lücke in Forsters Aufmarsch.
    Mulanow erschien nach ein paar Minuten, schob leise die Tür auf, blickte über das Spiel, kniff Milda ein Auge zu und verließ ebenso geräuschlos wieder das Abteil.
    Um es kurz zu machen … das Spiel dauerte über eine Stunde.
    Milda kniff und streichelte, und Forster setzte gehorsam, was sie ihm signalisierte.
    Nur, weil er einmal einen Springer verwechselte, ging die Partie schließlich an Karsanow.
    Nach einem lauten »Matt!« lehnte er sich zurück und griff nach dem Tee, den Milda allen eingegossen hatte. Karsanow hatte gar nicht bemerkt, daß das Frühstück gebracht worden war.
    »Eines ist mir jetzt klar, Werner Antonowitsch«, sagte er, als er getrunken und einen Bissen Brot mit Leberwurst gegessen hatte. Auch seine geliebte Milch hatte Milda mitbringen lassen. »Sie haben geblufft! Sie sind kein Anfänger! Soviel Glück, soviel Instinkt kann gar keiner haben! Geben Sie es zu: Sie sind ein ausgefuchster Schachspieler!«
    »Ich spiele heute mit Ihnen meine erste richtige Partie Schach«, sagte Forster ehrlich. »Ich kannte nur die Grundregeln.«
    »Dann sind Sie ein unbekanntes Schachgenie! Auch das noch! Stärken wir uns erst. Die Sache macht mir Spaß! Es bleibt bei den noch fehlenden neun Partien!«
    »Auf jeden Fall, Pal Viktorowitsch! Sie sind ja Mildas Freiheit!«
    Ab Tschita passierte im Zug nichts Aufregendes mehr, bis auf das stille Duell, von dem nur ein paar Menschen wußten.
    Der Transsib passierte Mogatscha, dann Skovorodino, später, in der Nacht schon, Svobodnyi. Rechts von ihnen begann die weite Ebene zum Grenzfluß Amur.
    China lag greifbar nahe. Der Zug ratterte an Rußlands unruhigster Grenze entlang. Das Land, durch das sie jetzt fuhren, beanspruchte China für sich.
    Vor Jahrhunderten, so hieß es, habe einmal ein russischer Unterhändler dieses Land dem Kaiser von China abgehandelt und ihn dabei schamlos betrogen.
    Rußlands große Zukunftsprobleme lagen nicht mehr im Westen … sie staken in seinem Rücken wie ein nicht mehr herauszureißender Speer.
    Karsanow und Forster spielten inzwischen die siebente Partie. Es stand unentschieden … drei für Forster, drei für Pal Viktorowitsch. Vom Nebenabteil war der General herübergekommen, selbst ein Schachspieler – welcher Russe ist es nicht? – und saß neben Karsanow.
    Mulanow und ab und zu auch Vitali und Wladlen, die anderen Schaffner, schlugen sich, in Kenntnis des Einsatzes, auf Forsters Seite.
    Der General störte ungemein.
    Karsanow knirschte mit den Zähnen, aber was kann ein Oberst einem General sagen, zumal er seine Uniform

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