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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Werner Forster blickte nicht zur Seite, wo Milda saß und ihn entgeistert anstarrte. »Ich setze gegen Ihre zehn Rubel die Freiheit von Milda Tichonowna.«
    Karsanow war zu verblüfft, um sofort darauf eine Antwort zu geben. Er musterte Forster mit zusammengezogenen Augenbrauen und blickte dann hinüber zu Milda, deren bleiches Gesicht beherrscht wurde von angstvoll aufgerissenen Augen.
    Karsanow legte seine Hände neben das Schachbrett.
    »Sie wissen, daß das Wahnsinn ist, Werner Antonowitsch?« fragte er mit belegter Stimme. »Wenn ich Ihren Einsatz annehme, verstoße ich damit erst einmal gegen meine Pflicht als Staatsdiener und Offizier. Zweitens haben Sie damit zugegeben, daß mit Milda Tichonowna etwas nicht stimmt –, genau das, was ich vermutet habe! Drittens entziehen Sie als Fremder und Gast dieses Landes eine Sowjetbürgerin ihrer gerechten Bestrafung und machen sich schuldig der Gefangenenbefreiung. Was das alles für Sie bedeutet, brauche ich Ihnen als intelligentem Menschen nicht zu erzählen. Viertens ist es mir zuwider, verzeihen Sie mir die Sentimentalität, einen Mann, den ich trotz aller Gegensätze dummerweise schätzen gelernt habe, auf diese Weise ans Messer zu liefern!«
    »Darf ich fortfahren, Pal Viktorowitsch?« fragte Forster seltsam gefaßt. »Fünftens liebe ich Milda Tichonowna, ohne zu fragen, wer sie ist und woher sie kommt und …«
    »… und sechstens«, unterbrach ihn Karsanow, »wissen Sie natürlich längst, wer sie ist und belügen mich schon wieder schamlos! Aber das ist das Vorrecht der Verliebten. Siebentens haben Sie gar keine Chance … ich besiege Sie mit einem wachen und einem schlafenden Auge. So einfach wird das sein!«
    »Dann fangen wir an, Pal Viktorowitsch!«
    »Gut!« Karsanow beugte sich über das Schachspiel. »Aber noch eine Feststellung: Wenn Sie verlieren, gibt es kein Zurück mehr! Die nächste größere Station ist Mogatscha. Auch dort gibt es eine Miliz.«
    »Wo nicht?« fragte Forster.
    »Bei Ihnen etwa nicht?« Jetzt bellte Karsanow wieder. »Reizen Sie mich bloß nicht, Werner Antonowitsch! In Mogatscha ist für Ihre Milda Endstation …« Er sah Milda an, und sie erwiderte seinen Blick wie ein gejagtes und eingekesseltes Wild. »Machen Sie den Blödsinn mit?«
    »Ja …«, antwortete sie. »Ich habe Vertrauen zu Werner Antonowitsch!«
    »Vertrauen! Schachspielen muß er können!.« Karsanow fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Wie viele Partien spielen wir?«
    »Zehn! Ist Milda zehn Partien wert?«
    »Von mir aus!« Karsanow winkte großzügig. »Milda Tichonowna, gehen Sie bitte in den Speisewagen und bestellen Sie für uns alle das Frühstück ins Abteil. Bis zum Mittagessen hat sich alles entschieden. Wer hat den ersten Zug?«
    Sie losten um die Farben. »Fangen Sie an, Pal Viktorowitsch …«
    Milda erhob sich und zögerte. Wenn sie jetzt in den Speisewagen ging und mit Kusma verhandelte, hatte Werner Antonowitsch die erste Partie bereits verloren, wenn sie zurückkam. Das war sicher. Sie blieb neben Forster stehen, legte die rechte Hand auf seinen Nacken und streichelte ihn. Er verstand sie und lächelte ihr ermutigend zu.
    Karsanow sah es.
    »Wie rührend«, sagte er. »Aber Sie werden sich für ein paar Minuten von ihm trennen müssen, Milda. Später werden es einige Jahre sein! Einer muß das Frühstück holen, sonst spielen wir hier vor Hunger und Übermüdung den schönsten Quatsch zusammen. Es geht um Sie! Also flieg, mein Vögelchen, und sag den Burschen im Speisewagen, sie sollen sich beeilen …«
    Milda verließ das Abteil und rannte zum Speisewagen. Auf dem Weg begegnete sie Mulanow, der die in Tschita zugestiegenen Reisenden kontrollierte.
    »Er macht es wirklich!« stammelte Milda. »Er spielt mit Karsanow um mich! Boris Fedorowitsch, er ist der mutigste Mann, den ich kenne … aber auch der dümmste! Was kann er gegen Karsanow ausrichten?«
    Mulanow beeilte sich, die Billetkontrollen abzuschließen, damit er an dieser Schlacht teilnehmen konnte.
    Werner Forster hielt sich tapfer.
    Als Milda atemlos in das Abteil zurückkehrte, saß Karsanow mit dunkler Miene vor dem Brett und brütete.
    Der Deutsche hatte in seiner naiven Art, wie bei Mulanows Übungsspielen, eine Situation geschaffen, die Karsanow festnagelte. Er sah, was Forster nicht sehen konnte, weil er das Spiel noch nicht so perfekt beherrschte, daß er in zwei Zügen matt sein konnte, wenn Forster die Lage überblickte. »Ich liebe dich«, sagte Milda leise und

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