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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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verknüpften Problemen, zu deren Lösung manchmal unkonventionelle Ansätze erforderlich sind. Da braucht man ein Forum, wo radikale Meinungen zum Ausdruck gebracht werden können.« Aber das klang alles wie eine Parteilinie; es hörte sich nicht an, als glaube er es selbst.
    Jack Joy ergriff das Wort. »Ich wollte Sie nicht belästigen, Mike. Ich habe da ein paar Leute erspäht, die ich kenne. Wir sehen uns später. Dies ist Ihr Tag, genießen Sie ihn, ich wünsche Ihnen Erfolg und so weiter und so weiter.« Schwitzend und grinsend verzog er sich.
    John sah mich an. »Tut mir Leid, wenn dieser Kerl dich aufgeregt hat.«
    »Hat er nicht.« Ich fand Jack Joy ein wenig beunruhigend, schätze ich, aber ich nahm ihn nicht ernst. Ein schwerer Fehler.
    »Du siehst beschissen aus.«
    »O danke.«
    »Du hast nicht geschlafen.« Er trat näher an mich heran und sagte leiser: »Du hast Morag gesehen, stimmt’s?«
    Ich ließ den Blick über die schwebenden Staubdrohnen und das Gedränge von VR-VIPs schweifen. »Sprich leise, John. In Ordnung. Ja, ich sehe sie. Ich sehe sie immer wieder. Es macht mich verrückt. Selbst wenn ich einschlafe, höre ich ihre Stimme, rieche ich ihren Atem, sie ist da, aber wenn ich aufwache, ist sie fort, und ich kann nicht mehr einschlafen.«
    »Aber sie spricht nicht mit dir«, sagte er. »Nicht wie bei diesem einen Mal.« Er starrte mich konzentriert und hungrig an. In diesem Moment fiel mehr auf, wie sehr er gealtert war – die dicker gewordene Hals- und Kinnpartie, der stämmige Körper, die langsam schrumpelnde Gesichtshaut, Kennzeichen eines Mannes im mittleren Alter. Aber in seinen Augen war eine Leidenschaft, die ich bisher nur selten gesehen hatte. Mein Bruder hatte es nicht so mit der Leidenschaft.
    »Das ist wirklich wichtig für dich, nicht wahr? Diese ganze Sache mit Morag. Warum, John?« Und ich wagte einen weiteren intuitiven Sprung. »Glaubst du, du weißt, was sie mir zu sagen versucht? Ist es das?«
    Ich rechnete damit, dass er es abstreiten würde, aber er starrte mich nur an, diese seltsame, verletzliche Mischung aus Zorn und Sehnsucht im Gesicht. »Wir müssen das klären«, sagte er grimmig.
    »Gut«, sagte ich ängstlich und verwirrt.
    Ich glaube, wir waren beide erleichtert, als wir leise, verstärkte Glockentöne hörten; Ruud Makaay klopfte mit einem Stift an ein leeres Glas, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Barnette und Makaay standen allein auf einer schlichten Bühne. Die große, durchsichtige Wand hinter ihnen zeigte eine Aufnahme der Bohrinsel. Deutlich sichtbare Techniker führten die letzten Überprüfungen der großen Stickstoff-Verflüssigungsanlage aus, die wir auf der Bohrinsel installiert hatten. Und, noch wichtiger, wir sahen Karten des Tunnelnetzes, das die Maulwürfe bereits über Kubikkilometer der fragilen Meeresbodenschichten hinweg angelegt hatten. Nun füllte sich die Wand mit Bildern des Projekts. Wir sahen mit den Augen eines Maulwurfs, wie ein Tunnel ins Gestein unter dem Meeresgrund getrieben wurde. »Na ja, der Tunnel entsteht ja eigentlich hinter dem Maulwurf, während er sich vorangräbt«, hatte Shelley mir gegenüber betont, »also sehen wir’s wohl eher mit seinem Arsch…«
    Makaay ergriff das Wort. »Wir haben diesem Projekt den Namen Kühlschrank gegeben. Das ist kein besonders fantasievoller Name, aber ich bin ja auch kein Fantast, sondern ein Ingenieur, der seine Aufgabe erledigen will – und ich habe noch nie an einer bedeutsameren Aufgabe als dieser gearbeitet. Ich bin sehr stolz auf das, was wir bisher erreicht haben, und ich hoffe, ich kann Sie dazu bewegen, uns künftig zu unterstützen. Wir möchten unsere Technologie nämlich in allen bedrohten Hydratschichten rings um den Nordpol und um den Südpol zum Einsatz bringen…«
    Während Makaay sprach, schoben John und ich uns durch die Menge zum Podium. Dort stießen wir auf Shelley mit Vander Guthrie, Tom und Sonia und andere Projektmitarbeiter.
    Es gab keine Sitzordnung, keine erste Reihe – tatsächlich gab es überhaupt nur wenige irgendwie geartete Sitzplätze. Ruud Makaay, ein Experte in der Manipulation von Menschenmengen, mochte keine offensichtlich inszenierten Veranstaltungen, sondern glaubte an »choreografierte Zwanglosigkeit«, wie er es nannte. Er war bestrebt, eine Atmosphäre menschlicher Wärme zu schaffen, die den üblichen Vorwurf der Arroganz, der Projekten wie diesem anhaftete, Lügen strafen sollte. Irgendwann würde ich – ebenso wie die anderen

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