Transzendenz
Schlüsselfiguren des Projekts – gebeten werden, nach vorn zu kommen, um Barnette vorgestellt zu werden, als hätte ich einen VR-Soap-Preis gewonnen. Aber glücklicherweise würde ich keine Rede halten müssen.
»Wir erläutern Ihnen natürlich gern so viele technische Details, wie Sie möchten«, sagte Makaay gerade. »Unsere Analyse des Netzes in Bezug auf Konnektivität und Robustheit hat uns bestätigt, dass unsere Maulwürfe, die alleine und in Kooperation mit anderen arbeiten, sämtliche funktionalen Parameter eingehalten und alle geologischen Bedingungen vor Ort berücksichtigt haben. Diese kleinen Kreaturen haben gute Arbeit geleistet.« Hinter ihm zeigte ein vergrößertes Bild einen Maulwurf, der seine rotierende Schnauze aus dem Boden schob und sie hin und her wackeln ließ, als suche er unsere Zustimmung. Es war eine schamlos anthropomorphistische Nummer, aber sie funktionierte und brachte Makaay vereinzeltes Gelächter und Applaus ein.
Die Anwesenden, die offenkundig ihren Spaß an der Show hatten, waren uns fürs Erste wohl gesonnen – doch ob das auch noch so sein würde, wenn sie wieder in ihren Büros saßen und wir um ernsthafte finanzielle Unterstützung für die Ausweitung des Projekts baten, war eine andere Frage. Wir Projektleute waren alle angespannt und aufgeregt, wir nippten an unseren Getränken und grinsten einander nervös an. Selbst Tom hielt Sonias Hand so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß waren. John schien jedoch abgelenkt zu sein. Ich hatte den Eindruck, dass er mir ebenso viel Aufmerksamkeit schenkte wie der Präsentation. Selbst jetzt, in diesem entscheidenden Moment, ging ihm die Sache mit Morag offenbar nicht aus dem Kopf.
Unter ein wenig mehr Applaus räumte Makaay die Bühne. Edith Barnette trat völlig unbefangen vor; man merkte ihr das Alter kaum an.
»Ich habe nicht die erforderlichen Voraussetzungen, um Ihnen etwas über die majestätische technische Leistung zu erzählen, die wir heute miterleben werden«, sagte sie. »Ich habe nicht einmal die Voraussetzungen, um über Methanhydratlager zu sprechen, die solche Besorgnis bei unseren freundlichen Klimawächtern auslösen, seien es Menschen oder KIs. Aber ich glaube, ich bin imstande, die größeren Implikationen dessen zu erfassen, was hier geschieht. Denn ich erkenne Heldentum, wenn ich es sehe.« Ihre Stimme war leise, aber sie trug bis in in die hintersten Ecken des großen Zelts, und die Gesichter all unserer Gäste, wichtige und selbstgefällige, intelligente oder lediglich selbstsüchtige, waren Barnette zugewandt. »Eine neue Art von Heldentum«, sagte sie. »Ein Heldentum, das retten möchte – nicht nur sich selbst, nicht nur die Freunde oder Verwandten, nicht einmal nur das eigene Volk oder die Angehörigen der eigenen Religion. Es ist ein Heldentum, das den ganzen Planeten und seine zerbrechliche Fracht von Lebewesen retten möchte. Es ist ein Heldentum, das die Zukunft selbst retten möchte…«
Während ich dort stand und der Wodka durch mein Blut strömte, führten ihre Worte mich zu den hoffnungsvollen Tagen zurück, als Präsidentin Amin uns alle aus dem Albtraum der Abhängigkeit vom Erdöl aufweckte. Amins Erfolg basierte auf einer Mischung aus Leistungsdenken und Offenheit. Sie war ein Kind irakischer Flüchtlinge, und ihr Weg war zwar vielleicht nicht ganz der von der Bretterhütte ins Weiße Haus, aber doch weitgehend dessen Äquivalent im einundzwanzigsten Jahrhundert gewesen. Amin hatte eine simple, für jedermann verständliche Vision und brachte mit deren Verwirklichung eine nationale, ja sogar globale Transformation zuwege.
Natürlich schlugen die Dämonen zurück. Amins Ermordung war ein großes Ausrufezeichen. Und dann kam das Jahr 2033, die Jahrestag-Bombe. Es war eine Atombombenexplosion in großer Höhe – die Gegenterroristen hatten eine Bombe, nicht viel größer als die von Hiroshima, an Bord eines kleinen Touristen-Raumflugzeugs in eine Höhe von ein paar hundert Kilometern gebracht. Röntgenstrahlen kochten alle außer den abgehärtetsten Satelliten in der erdnahen Umlaufbahn, während Gammastrahlen auf die oberen Atmosphärenschichten einhämmerten und hochenergetische Elektronen freisetzten, die jegliche empfindliche Elektronik in ihrem Blickfeld funktionsunfähig machten; zugleich ließen geladene Partikel das Magnetfeld der Erde oszillieren, sodass elektrische Spannungsstöße Kabel und Schaltelemente ruinierten. Und eine blutrote Aurora breitete sich über den
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