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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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fliegt man zu einem Krankenhaus. Aber wir werden in Militärgewahrsam genommen.«
    »Dann sind wir also Verdächtige?«, fragte Shelley.
    Wir waren alle mit dem Terrorismus aufgewachsen und kannten das Mantra: Jeder steht an der Front, jeder ist verdächtig. Aber es war deprimierend, in dieses trostlose Räderwerk hineinzugeraten.
    »Man wird uns zumindest als Zeugen festhalten«, sagte John. »Ich sorge dafür, dass wir einen guten Anwalt bekommen. Ich habe Kontakte…« Seine Stimme verlor sich. Wie üblich hatte er sich in die Pose des Kompetenten geworfen, der die Dinge in die Hand nahm, und damit trotz der Schmutzspuren in seinem Gesicht und seines zerrissenen Hemdes für kurze Zeit Eindruck gemacht. Aber Morag stand hier, unglaublicherweise lebendig, und musterte ihn ausdruckslos. Er sackte in sich zusammen, seine Worte versiegten, seine Persönlichkeit implodierte.
    Sonia führte uns zu einer Stelle, die von Polizisten als Landeplatz gekennzeichnet wurde. Ein Hubschrauber sank zu uns herab, ein großer alter Chinook mit Tarnanstrich.
    »Wohin bringen sie uns?«, fragte ich.
    »Nach Fairbanks.«
    »Fairbanks?« Das war im Landesinneren von Alaska, sechs-, siebenhundert Kilometer von Prudhoe Bay entfernt.
    Sonia zuckte die Achseln. »Nicht meine Entscheidung. Da soll es ein gutes Krankenhaus geben. Und man kann uns dort schützen. Ihr dürft nicht vergessen, dass die Reaktion des Militärs in solchen Situationen immer darin besteht, die Lage zunächst einmal in den Griff zu bekommen. Dazu ist die Verteilung der Schlüsselkomponenten keine schlechte Methode.«
    Shelley grinste gezwungen. »Ich bin also eine Schlüsselkomponente. Das ist doch mal was, oder?«
    Tom flippte aus. »Nun haltet doch endlich alle die Klappe«, rief er.
    Der Chopper landete schwerfällig, und ein Polizist winkte uns herbei. Sonia lief zum Hubschrauber, ohne Toms Hand loszulassen. Sie duckten sich, um den noch immer kreisenden Rotorblättern auszuweichen. Shelley und John folgten ihnen, dann ich und Morag.
    Ich hielt Morags Hand fest umschlossen. »Ich wollte schon immer mal in einem Chinook fliegen, schon als kleiner Junge.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »An jedem anderen Tag wäre das ein echter Kick, was?«
    Ich warf ihr einen Blick zu. Machte sie Witze? Aber genauso hätte Morag reagiert, mit trockenem Humor. »Komm, dieser Polizist sieht aus, als würde er langsam sauer auf uns.«
     
    Wir saßen angeschnallt in primitiv am Boden festgeschraubten Segeltuchsitzen. Ramponiert, übel zugerichtet und blutbefleckt, sahen wir wie Flüchtlinge aus einem Kriegsgebiet aus – was wir ja vermutlich auch waren. Sechs Polizisten flogen mit uns. Ihre Gesichter waren hinter Sichtscheiben verborgen, die wie Visiere von Raumanzughelmen aussahen; sie beobachteten uns ruhig und wachsam, und sie hielten schwere Waffen in den Händen.
    Wir hoben mit einem unsanften Ruck ab. Es stimmte, dass ich immer in einem Chinook hatte mitfliegen wollen. Er hatte sich schon vor meiner Geburt in die Lüfte erhoben und war eine so gute Maschine, dass er nach wie vor in aller Welt eingesetzt wurde. Aber im Innern war dieser alte Vogel grässlich unbequem, und es herrschte ein dröhnender Lärm.
    Durch die offene Tür des Frachtraums kam die Bohrinsel in Sicht. Aus der Luft sah sie spektakulär aus. Die Higgsfeld-Bombe hatte ihr das Herz herausgerissen und ein hohles Gewirr aus rostigem Metall übrig gelassen, das wacklig auf verbogenen Stelzen stand. Alles, was noch vorhanden war und brennen konnte, brannte mit unruhigen Flammen. Hubschrauber, Flugzeuge und Drohnen summten wie Fliegen um die Bohrinsel, und Barkassen zogen nervöse Kreise um sie. Etwas weiter von der Bohrinsel entfernt schien das Meer zu kochen; riesige, langsam aufsteigende Gasblasen durchbrachen die Oberfläche. Das Gas war natürlich Methan, entwichen aus den Hydratlagern, die wir stabilisieren wollten, aber nur aufgebrochen hatten. Doch zumindest schienen die Fackeln, die sich in den ersten Sekunden nach der Detonation entzündet hatten, versiegt zu sein.
    Der Hubschrauber entfernte sich von der Küste und flog landeinwärts nach Süden, Richtung Fairbanks, und ich konnte nichts mehr sehen.
    Sonia schien das Adrenalin, das sie bis hierher gebracht hatte, verbraucht zu haben. Sie hockte zusammengekrümmt über ihrem verletzten Arm und verzog das Gesicht vor Schmerz. Ich überlegte, ob einer der Polizisten ihr vielleicht eine Morphiumspritze oder etwas dergleichen geben könnte, aber Sonia war durchaus

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