Transzendenz
Alia, wie egoistisch. So viel zur Liebe der Transzendenz. Sie saßen in der schäbigen Hütte, während draußen die Unsterblichen durch den Dreck schlurften.
49
Wir wurden alle eine Woche lang im Krankenhaus in Fairbanks festgehalten, wo wir in Sicherheit waren, auch wenn uns die Decke auf den Kopf fiel. Wir durften es auch nicht verlassen, um an der Beerdigung von Makaay und den anderen teilzunehmen – nicht einmal am Staatsbegräbnis für Edith Barnette, eine Vizepräsidentin, die ebenso ermordet worden war wie die Präsidentin, der sie einmal gedient hatte.
Morag stellte ein unlösbares Problem für die Behörden dar.
Soweit es sie betraf, war sie einfach aus dem Nichts aufgetaucht. In ihrer unablässigen Bestandsaufnahme ordnungsgemäßer Geburten und Todesfälle war Morags plötzliches Erscheinen ein ebenso erschütterndes Ereignis wie ein jähes Verschwinden, das Spiegelbild eines Mordes oder einer Entführung. Die Einwanderungsbehörde benötigte überdies eine Erklärung für ihre Anwesenheit auf amerikanischem Boden. Und sie wollte wissen, wie es sein konnte, dass sie die DNA einer amerikanischen Bürgerin besaß, die seit siebzehn Jahren im Grab lag.
Shelley brummelte ein paar finstere Worte über die Beschränktheit des bürokratischen Denkens. »Sie machen sich Sorgen wegen ein paar Anomalien in ihren Registern von Geburten und Todesfällen. Aber Morag ist aus dem Nichts erschienen. Wie steht’s da mit der Erhaltung der Masse? Sollten wir nicht alle verhaftet werden, weil wir dieses kleine Gesetz gebrochen haben?«
Morag selbst konnte ihnen jedenfalls keine Erklärungen liefern. Sie versuchte nicht, irgendetwas zu verbergen. Was für einen Zweck hätte es gehabt zu lügen? Andererseits beantwortete sie auch keine Fragen, die man ihr nicht stellte.
Allem Anschein nach besaß sie ein ziemlich vollständiges Arsenal von Erinnerungen bis zum Augenblick ihres Todes vor siebzehn Jahren. Was die Zeit danach betraf, so verfügte sie offenbar über einige partielle Informationen – Eindrücke, keine Erinnerungen. Tief im Innern schien sie zu wissen, dass siebzehn Jahre vergangen waren, konnte es aber nicht artikulieren. Die Ärzte spekulierten über Parallelen mit Amnesiefällen. Ich bezweifelte, dass sie das weiterbringen würde. Das FBI neigte schließlich zu der Hypothese, dass sie so etwas wie ein illegaler Klon sei. Ich war froh, dass sie sich in diesem Hirngespinst verloren; ich wusste, dort war nichts weiter zu finden.
Ihre rechtliche Stellung blieb jedoch ein Problem. Sie war zweifellos nicht Morag Poole, die Frau, die vor so langer Zeit gestorben war, jedenfalls nicht in den Augen des Gesetzes. Also wurde eine offene »Jane Doe«-Akte für sie angelegt -»wie für eine gesichtslose Leiche, die man aus einem Fluss gefischt hat«, wie sie selbst sagte. Morag bekam nicht ihre volle Freiheit zurück, jedenfalls nicht sofort. Sie wurde in meine Obhut überstellt, aber sogar dafür musste ich einige Hebel in Bewegung setzen, weil die Behörden zu dem Schluss gelangt waren, dass ich selbst einen kleinen Sprung in der Schüssel hatte. Die Wende brachte erst eine überraschende Intervention von Tante Rosa, die mich mit der Autorität der Kirche unterstützte.
Jedenfalls wurden wir nach dieser Woche entlassen – alle außer John, zu meinem Erstaunen. Er wurde in eine noch sicherere FBI-Einrichtung in Anchorage verlegt. Es gab »Verbindungen«, die die G-men weiter untersuchen wollten. Seine Rechtsposition war zweifelhaft, aber ich machte mir keine allzu großen Sorgen. Wenn jemand sich in einer solchen Situation um sich selbst kümmern konnte, dann John. Und überhaupt hatte ich so viel Wut im Bauch, dass ich es ihm von Herzen gönnte, von den Feds in die Mangel genommen zu werden; ich wusste, das war gemein, aber ich fand, er verdiente es.
Wir anderen wurden aufgefordert, Alaska vorläufig nicht zu verlassen. So kehrten wir alle nach Prudhoe Bay zurück, eine seltsame, verwirrte Crew.
Shelley und ich stürzten uns wieder in die Arbeit. Ich war insgeheim – und mit schlechtem Gewissen – froh über die Ablenkung von all den Seltsamkeiten um Morag. Auch Tom und Sonia erklärten sich bereit, weiter am Projekt teilzunehmen. Tom sagte, er wolle nicht, dass die Bomber den Sieg davontrügen; schließlich habe er mit eigenen Augen gesehen, welchen Schaden die Destabilisierung der Hydrate unter dem Meeresboden anrichten könne. Ich freute mich riesig über die Fortsetzung unserer
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