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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie hatte nicht vor, sich ablenken zu lassen. »Das kannst du deinem Bruder ausrichten. Er ist genau wie euer Vater. Und mit diesem Haus ist alles in Ordnung.«
    »Es braucht aber einen Nano-Anstrich. Du kannst die Kosten wieder reinholen, indem du Sonnenenergie ans Mikronetz verkaufst. Und du musst die KI-Gesetze einhalten; ein so altes Haus braucht mindestens ein IQ-Äquivalent von…«
    »Ich kenne die verdammten Gesetze«, fuhr sie mich an. »Nur damit wir uns richtig verstehen. Ich ziehe nicht aus.«
    Ich spreizte die Hände. »Soll mir recht sein.«
    Sie beugte sich vor und musterte mich. Ich erwiderte ihren Blick. Ihr Gesicht war hart, nur Nase, Wangenknochen und eingesunkener Mund. Es schien, als wäre alles außer diesem innersten Kern weggeschmolzen und hätte nur noch ihren dominanten, zentralen Charakterzug übrig gelassen.
    Aber was war das für ein Charakterzug? Energie, ja, Entschlossenheit, aber alles von einer Art Groll aufgeheizt, dachte ich. Sie war aus England hierher gekommen, erfüllt von einer Stinkwut auf ihre von Schwächen keineswegs freie Familie und alles, was ihr dort widerfahren war. Jedenfalls hegte sie einen Zorn auf meinen Dad und die Art, wie ihre Ehe in die Brüche gegangen war, ja sogar darauf, dass er gestorben war und es ihr überlassen hatte, mit diversen Komplikationen – nicht zuletzt ihren beiden Söhnen – fertig zu werden. Sie ärgerte sich über den allmählichen Klimawandel, der ihr hier im Heim der Familie zusetzte, wo sie zu sterben gehofft hatte. In ihrem Kopf lag sie im Kampf mit der ganzen Welt.
    Ihre Augen, ihre schönen Augen straften die Härte ihrer Miene allerdings Lügen. Sie waren klar und immer noch von diesem verblüffenden Hellgrau. Und sie ließen eine überraschende Verwundbarkeit erkennen. Meine Mutter hatte ihr Leben lang eine Art Panzer um sich herum aufgebaut, aber ihre Augen waren ein Riss in diesem Panzer, durch den ich in sie hineinschauen konnte.
    Nicht dass sie die Krallen nun eingezogen hätte. »Schau dich bloß mal an. Du hast einen Rundrücken, eine grässliche Frisur und Übergewicht. Du siehst beschissen aus.«
    Ich musste lachen. »Danke, Mom.«
    »Ich weiß, was mit dir los ist«, sagte sie. »Du bläst immer noch Trübsal.« Das war der einzige Ausdruck, den sie jemals für »Kummer« gebrauchte. »Wie lange ist das jetzt her? Siebzehn Jahre? Morag ist gestorben, dein kleiner Sohn ist gestorben, und es war schrecklich. Aber es liegt schon so viele Jahre zurück. Es war nicht das Ende deines Lebens. Wie geht’s Tom? Wie alt ist er jetzt?«
    »Fünfundzwanzig. Er ist in Sibirien und arbeitet an einer genetischen Untersuchung der…«
    »Sibirien!« Sie lachte. »Hätte er noch weiter weggehen können? Durch deine Trauer um deinen toten Sohn hast du den lebenden von dir gestoßen, verstehst du?«
    Ich stand auf und schob meinen Stuhl zurück. »Und deine Amateurpsychoanalyse ist totaler Schwachsinn, so wie immer, Mom.«
    Sie schloss einen Moment lang die Augen. »Schon gut, schon gut. Ich habe dir dein altes Zimmer fertig gemacht.«
    »Danke.«
    »Du könntest vielleicht ein paar Sandsäcke füllen. Wir haben gerade Ebbe.« Sie zeigte auf den Schrank, in dem sie leere Säcke aufbewahrte.
    »Okay.«
    »Es ist gar nicht so schlimm hier. Nicht mal jetzt. Wir haben noch immer Ärzte, Zahnklempner und die Polizei. South Beach ist noch keine Geisterstadt, Michael.« Zerstreut fuhr sie fort: »Was nicht heißen soll, dass wir nicht unsere Probleme hatten. Weißt du, was das Schrecklichste war, was hier passiert ist? An einer Stelle ist das Wasser so hoch gestiegen, dass ein Friedhof aufgebrochen ist. Särge und Knochen sind blubbernd aus dem Boden gestiegen. So etwas Groteskes hast du noch nie gesehen. Sie mussten alles mit Bulldozern wegräumen. Und ich vermisse das Vogelgezwitscher. Wohin man auch geht, nirgends scheint es mehr Vögel zu geben.«
    Ich zuckte die Achseln. Vögel waren die Vorhut des Artensterbens gewesen. Im Jahr 2047 war ihr Verschwinden eine Banalität. »Mom«, sagte ich behutsam, »vielleicht solltest du doch daran denken, von hier wegzuziehen.«
    Sie beäugte mich mit leiser Belustigung. »Willst du behaupten, dass es woanders auch nur andeutungsweise besser ist?«
    »Eigentlich nicht, nein.«
    »Dann hör auf, Zeit zu verschwenden.« Sie trank einen Schluck von ihrem Tee, und ich war entlassen.
     
    Mein altes Zimmer war klein, aber es ging aufs Meer hinaus, und ich hatte es immer geliebt.
    In Wahrheit war es jetzt

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