Trantüten von Panem
die Eröffnungszeremonie gefallen hat. Noch ein Wort an die Tribute: Ich hoffe, dass ihr stolz auf eure Heimatdistrikte seid, dankbar, dass ihr live im Fernsehen auftreten dürft und insbesondere die Ehre zu schätzen wisst, auf ganz außergewöhnliche Weise sterben zu dürfen. Ich wünsche euch viel Spaß am heutigen Abend und möchte euch daran erinnern, dass die Restaurantbereiche um zweiundzwanzig Uhr dreißig schließen.«
Damit ist die Eröffnungszeremonie vorbei. Pita und ich fahren in unserem Triumphwagen zurück zum Trainingscenter. Pita will noch gebrannte Mandeln kaufen, aber ich erinnere ihn daran, dass Efi mit uns im Apartment zu Abend essen möchte. Um seinen Unmut auszudrücken, will er die Arme verschränken, schafft es aber nicht. Also zieht er einen Schmollmund.
Auf der Fahrt sehen wir Edelkitsch, der zusammen mit einer Traube von Leuten an einer Straßenecke steht. Viele Geldscheine und Papierfetzen wechseln die Hände. Sie schließen Wetten über die Hungerspiele ab. Als Edelkitsch uns erspäht, steckt er rasch die Scheine ein, und die anderen folgen seinem Beispiel. Dann bemühen sie sich, so unbefangen wie möglich dreinzublicken und fangen an zu pfeifen.
Als wir das Trainingscenter betreten, versuche ich die Vorstellung zu verdrängen, dass mein Leben in Edelkitschs Händen liegt. Das Gebäude ist toll. Jedem Distrikt ist ein Stockwerk gewidmet. Ich steige in das Ding, das Efi »Lift« nennt. Wenn man aussteigt, ist man ganz woanders als da, wo man eingestiegen ist – es sei denn, man lässt die Finger von den vielen Knöpfen. Das ganze Erlebnis ist ungeheuerlich. Ich bin vorher nur ein einziges Mal in einem Lift gefahren. Das war im Ungerechtsgebäude zu Hause in Distrikt 12, als ich die Überreste meines zerfetzten Vaters abholen musste. Ach ja, und dann noch jeden Tag in der Schule, um zu meinem Klassenzimmer zu gelangen.
Während ich im Lift stehe, schweifen meine Gedanken in jenes Jahr zurück, als die Arena der Hungerspiele einem Bürogebäude nachempfunden war. Die meisten Tribute aus den ärmeren Distrikten wurden von den Liften geköpft, weil sie nicht wussten, wie sie damit umgehen mussten. Mann, das waren klasse Hungerspiele.
Ich steige aus dem Lift und betrete unser Apartment. Genau wie unser Zugabteil ist es mehr als nur komfortabel ausgestattet. Pita nimmt sofort Platz und zieht sich die Schuhe aus. Gute Idee, denke ich. Es ist so hübsch ordentlich hier, da sollten wir unsere dreckigen Schuhe vor der Tür lassen. Dann bemerkte ich, dass er Kräcker aus seinen Schuhen hervorkramt. Offensichtlich hat er eine Notration zwischen seinen Zehen verstaut. Als er sie zum Mund führen will, schlägt sie ihm Efi aus der Hand. »Dua langsam. Du griagst ja glei wos!«
Ich entschuldige mich und gehe ins Badezimmer. Als ich die Tür hinter mir schließe, atme ich tief durch. Endlich habe ich einen Augenblick Ruhe – das erste Mal seit dem Erntedankfest. Ich sehe mich um. Hier ist mir alles völlig fremd: Das silberne Rohr, aus dem Wasser pinkelt. Der rosafarbene Würfel, auf dem »Seife« steht. Die Toilette besitzt einen Hebel. Wenn man ihn drückt, verschwindet das Wasser entgegen dem Uhrzeigersinn, um dann wieder zu erscheinen. Ich benutze die Toilette, und zum ersten Mal in meinem Leben muss ich nicht erst ein Loch für mein Würstchen graben.
Als ich aus dem Bad komme, wartet Efi bereits auf mich. »Da, schau her«, sagt sie und reicht mir eine kleine Schachtel mit Streichhölzern. »War gscheida, wennst da drin a Zündhölzl obrennst.«
»Ist das ein Kapital-Brauch?«, erkundige ich mich.
»Naa, is ned«, erwidert sie und hält sich angewidert die Nase zu.
Ich gehorche. Dann begleitet sie mich ins Esszimmer, wo eine gewaltige Mahlzeit auf uns wartet. Pizza, Mozzarellasticks, Cola Light, McFlurries, Hummer, Schweinsbraten, Brezn, Köttbulla und eine riesige Schüssel Keksteig. Lecker . Ich lecke mir über die Lippen, dann über die Hände, wie es bei uns in Distrikt 12 Brauch ist. Endlich setze ich mich neben Pita an den Tisch, und Efi, Edelkitsch und Penna gesellen sich zu uns.
Wir fangen an zu essen. »Wusstet ihr schon, dass man dieses Jahr auf die Reihenfolge wetten kann, in der die Tribute den Löffel abgeben?«, platzt Edelkitsch heraus. »Ich habe schon seit Jahren darauf gepocht. Endlich haben sie auf mich gehört!«
Penna macht einen besorgten Eindruck.
»Ich habe viel Geld auf dich als Vierten gesetzt«, fährt Edelkitsch aufgeregt fort und deutet mit seinem Messer
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