Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
Zimmers seiner Eltern nicht ertragen. Er lag starr auf seinem Kopfkissen, und als er die Augen schlo ss , kehrte das Bild, das er den ganzen Abend von seinem Bewu ss tsein ferngehalten hatte, mit furchtbarer Klarheit zurück : Die schrecklich roten, blutig herunterhängenden Fetzen, sein Vater, der in Angelos Armen zusammenbrach wie eine Marionette, deren Fäden losgelassen werden…
    Über achtzig Stiche… wahrscheinlich können wir sein Augenlicht retten…
    Mario machte das Licht aus. Das Bettsofa knarrte leicht, als er sich auf den Rand setzte, um seine Stiefel auszuziehen. Er streckte sich in seinen Sachen aus.
    »Schläfst du in deinen Sachen? Ich kann dir einen von Dads Pyjamas geben.«
    »Mu ss nicht sein. Es ist sowieso fast morgen.«
    Plötzlich überkam Tommy ein würgendes Gefühl, und er wu ss te beschämt, dass er weinen würde.
    Mario drehte sich herum. Er sagte flüsternd: »Hör zu, Kleiner, nimm’s nicht so schwer. In der Show verletzen sich immer Leute, das weißt du. Hier, leg den Kopf auf meine Schulter.« Sein Arm legte sich in der Dunkelheit um Tommy. »So ist es besser.«
    Plötzlich fühlte Tommy, völlig erschöpft, das schmerzende Gewicht weichen, und er fiel in tiefen Schlaf.
     
    Als er aufwachte, war der Wohnwagen erfüllt mit grauem, regnerischem Licht und er war allein. Draußen hörte er patschende Schritte, das Geräusch eines aufheulenden Automotors, das Wimmern des Generators und das Ächzen des Fahrwerks, den schauerlichen Klageruf eines Elefanten, das Klappern von scharrenden Pferdehufen, ein Baby, das irgendwo in einem anderen Wohnwagen schrie. Die vertrauten Geräusche eines Zirkusplatzes an einem Regenmorgen.
    Dann hörte er, ganz nah durch eine offene Tür Marios Stimme, kalt und ärgerlich wie er sie nie zuvor gehört hatte: »Angelo! Wenn ich ein Gehirn wie deins hätte, würde ich es dreimal täglich mit Schmierseife waschen!
    Der Junge war halb krank vor Schock; ich dachte, ich sollte ihn nicht alleine lassen. Das war’s, und das war alles. Jesus, Maria und Josef, was glaubst du, was ich bin?«
    Angelo murmelte etwas, und Mario knurrte, noch nicht beruhigt: »Also okay, okay, du willst also dem ganzen verdammten Platz davon erzählen? Mach schon! Hilf Papa Tony. Ich schaff’s schon! Also, du möchtest es vielleicht nachprüfen und Tommy fragen…«
    »Könnte wohl sein«, sagte Angelo, und eine Minute später kam er in den Wohnwagen, ohne anzuklopfen.
    »Bist du wach, Tom?«
    »Ja, ich glaub’ schon.« Tommy setzte sich blinzelnd auf. »Was ist los, Angelo? Irgendwas passiert?«
    Angelo starrte ihn einen Moment an, schüttelte dann den Kopf und sagte: »Nein, aber Big Jim hat die Show für heute Nachmittag abgesagt – draußen ist ein höllischer Regen. Wir brechen gegen Mittag zur nächsten Stadt auf.
    Zieh dir was an, Junge. Wir müssen sehen, ob dein Vater transportiert werden kann.«
    Tommy schlüpfte in seine Sachen und fand im Kühlschrank noch etwas Milch. Er trank ein Glas, aß aber nichts. Draußen hatte der Regen den Boden zu suppigem Schlamm geschlagen, wo der Manegenrand gewesen war, standen jetzt Wasserpfützen. Die meisten der Wohnwagen waren schon weg.
    Jeff Cardiff, Tom Zanes Tierpfleger und Assistent, kam quer über den Platz zu Tommy.
    »Fährst du heute Morgen rein, um deinen Dad im Krankenhaus zu sehen? Sag ihm, er soll sich keine Sorgen machen. Ich kann ein paar Tage mit den Katzen arbeiten, es sei denn, deine Mutter will es machen.«
    »Okay, ich sag’s ihm.«
    »Wird dein Dad sein Auge verlieren?«
    »Ich hoffe nicht.«
    »Schlimm für deine Mutter. Besonders jetzt, da du mit der Show weiterfahren mu ss t und sie hier bei ihm bleiben mu ss «, sagte Cardiff. »Na ja, grüß beide von mir, Tommy.
    Ich fahr’ weiter mit dem Raubtierwagen.«
    Er ging weg, und Tommy stand im strömenden Regen, nicht einmal gewahr, dass er na ss wurde. Schlagartig war es ihm klargeworden. Er war nicht bloß ein Artistenkind, das mit seiner Familie reiste; er war selbst ein Artist – mit Vertrag. Er war gestern Abend aufs Trapez gegangen, ohne zu wissen, ob sein Vater leben oder sterben würde.
    Er würde weiterfahren müssen, heute Nachmittag , zur nächsten Stadt auf der Route.
    Ein Arbeiter kam zu ihm und sagte: »Tommy, ich hab’ euren Wohnwagen abgehängt. Wir lassen ihn zu einem Campingplatz in der Stadt schleppen. Tonio Santelli hat mir gesagt, dass du mit ihnen fährst. Hol besser deine Sachen und nimm sie mit rüber in den Santelli-Wagen.«
    Tommy

Weitere Kostenlose Bücher