Trapez
– hier Baby, so – hier, fühl, wie mein Herz schlägt, fühl das – ist das nah genug, fanciullo? So, so, weine nicht, nicht – okay? Okay.«
Er merkte, wie das Schluchzen langsam verstummte.
Verwirrt, erschöpft lagen sie sich in den Armen, als ob Verzweiflung zu einer Art verzweifeltem Opfer geworden war, das sie für alle Zeiten verbinden mu ss te. Tommy flüsterte: »Ich will dich niemals verlassen. La ss du mich auch nicht gehen…«
Mario stockte bei seiner Antwort: »Das werde ich nie tun, Lucky. Das könnte ich nie. Was auch passiert, was wir uns auch antun, wir sind jetzt ein Teil vom andern.«
KAPITEL 19
Der September ging vorbei, und Tommy war beinahe verzweifelt, als die Saison sich dem Ende näherte. Nach der brutalen Ehrlichkeit jener Nacht im Motel hatte sich Mario wieder zurückgezogen, und Tommy, dem hilflos bewu ss t war, dass sein ganzes Gefühlsleben von der Laune eines schwierigen, überempfindlichen, temperamentvollen Mannes abhing, konnte absolut keinen Weg finden, zu Marios Ängsten durchzudringen. Er war zur Gleichgültigkeit getrieben worden; und mit wütendem Stolz tat er es Marios eiserner Selbstkontrolle gleich.
Sie hatten noch einen erbitterten, aufbrausenden Streit, eine dumme Geschichte über einen von Marios Pullovern, den Tommy ohne Erlaubnis getragen hatte. Mario, der für gewöhnlich solche Freiheiten übersah oder sogar anregte, hatte aus irgendeinem Grund beschlossen, sich darüber aufzuregen. Am Tag der letzten Vorstellung redeten sie kaum ein Wort miteinander. Tommy verbrachte die Pause zwischen den Shows im Trapezwagen und packte grimmig die Kostüme in beschriftete Kartons.
Während er Schuhe paarweise an ihren Senkeln zusammenband , abgetragene Trikots aufrollte, so dass die Löcher oben sichtbar waren, ertappte er sich dabei, wie er eine schwache Hoffnung hegte, dass Mario hier draußen nach ihm suchen und die ungewohnte Ungestörtheit nutzen würde. Und er gab sie nicht auf, bis die frühe Oktoberdämmerung das Nähern der Abendvorstellung ankündigte, und ging zum Wohnwagen seiner Familie, zu spät fürs Abendessen.
Nach der Show blieb er noch an dem Brett sitzen, das sie als Schminktisch benutzten, und sammelte seine persönlichen Sachen zusammen; Kamm und Bürste, eine Rolle Pflaster, eine halbleere Tube Sonnenbrandcreme.
Er legte sie in einen Schuhkarton. Papa Tony trat hinter ihn und sagte: »Ich hab’ heute Nachmittag mit deinem Vater gesprochen, Tommy. Dein Lohn für diese Saison ist auf der Bank; er hat alle Einzelheiten. Hier ist eine Kleinigkeit von uns allen, ein kleines Geschenk für dich, einfach, weil du ein so guter Junge bist. Es war schön, dich bei uns zu haben, Kauf dir was Hübsches davon.« Er steckte einen Geldschein in Tommys Hemdtasche. »Wir sehen uns Neujahr wieder.«
Tommy sagte schüchtern: »Danke schön.« Angelo kam und nahm seine Schultern zwischen beide Hände. »Ruh dich in diesem Herbst gut aus, du Schlingel. Im Frühling werde ich mit dir arbeiten, dass dir Hören und Sehen vergeht. La ss dich nicht dazu überreden, Football zu spielen; wenn du in Form bleiben willst, fang an zu laufen oder mach Leichtathletik!« Er hielt inne und sah sich um.
»Hör zu, Tom, ich weiß , dass Matt in diesem Sommer ziemlich hart mit dir war. Man kommt nicht leicht mit ihm aus. Ich möchte, dass du weißt , dass wir alle es sehr schätzen, wie du dich anstrengst, um mit ihm auszukommen. Weißt du…« Er hielt inne, als ob er unsicher war, was er sagen sollte oder wie er es sagen sollte. »Eine Zeitlang hatte ich Sorge, dass er einen schlechten Einflu ss auf dich hat. Er war ein wildes Kind, weißt du. Weißt du, dass er Vorstrafen hat?«
»Er hat mir erzählt, dass er im Gefängnis war.«
»Ja, ich sollte ja nichts sagen, es hat ihn vor der Armee bewahrt. Aber immerhin – na ja, dass er sich um dich kümmern mu ss te, hat ihn, glaube ich, etwas ausgeglichen.
Ich möchte, dass du weißt , dass wir das anerkennen.«
Angelo umarmte ihn und kü ss te ihn rau auf die Wange.
»Mach’s gut, Junge. Pa ss auf dich auf. Bis zum Winter.
Alles klar hier drinnen? Okay, schließen wir zu«, sagte er. »Wir fahren irgendwann heute Abend los.« Er nahm seinen Schminkkoffer unter den Arm und ging pfeifend weg.
Tommy suchte den Platz ergebnislos nach Mario ab.
Zum Schlu ss , als der ganze Platz dunkel war und er wu ss te, dass sich seine Mutter Gedanken machen würde, warum er nicht hereinkommt, machte er sich betrübt auf den Rückweg. Es gab
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