Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
nichts passiert wäre?«
    »Nein«, sagte Mario, zu sehr mit dem beschäftigt, was er sagte, um auch nur verlegen zu werden, »nicht das. Ich meine, so wie wir zusammen sind; fliegen. In unserer Duo-Nummer – das war doch sowieso zwischen uns, und das war fast, wie zusammen schlafen.«
    »Unglaublich, vor aller Augen«, sagte Tommy in dem Versuch witzig zu sein.
    »Das habe ich nicht so gemeint.« Seine Ernsthaftigkeit ließ Tommys Lächeln weichen. »Aber tanzen ist auch Sex, weißt du. Wie die Flugmuster der Vögel.« Mario stützte sich auf seine Ellenbogen. »Einer meiner Ballettlehrer hat mal – als er vom Schweben, vom langsamen Tanzen redete – über Flugträume gesprochen. Und dann hat er sich zu mir gedreht und gesagt: ›Matt Gardner weiß , wovon ich rede, weil das fliegende Trapez den gleichen Reiz hat: Es ist das Ausleben von Flugträumen, die eigentlich Sexträume sind!«
    »Angelo hat mal so was gesagt, an dem Abend, als wir Lucias Fotoalbum angesehen haben.«
    »Ausgerechnet Angelo. Die meiste Luftakrobatik ist sexuell – jedenfalls symbolisch – und besonders Trapezarbeit. Mir scheint, dass eine Menge davon unterdrückte Homosexualität ist, die zur hohen Kunst erhoben wurde.
    Aber wenn du so was zu Angelo sagst, lacht er sich tot.
    Und wenn du ihn überzeugst, ruinierst du einen guten Flieger, weil er dann befangen wird. Bei ihm, wenn etwas davon da ist – und ich glaub’, es ist eine Menge da, obwohl, wenn ich ihm das ins Gesicht sage, lacht er sich entweder krank oder schlägt mir die Zähne aus –, geht es alles ins Fliegen. Und der bewu ss te Teil von ihm – ach verdammt –du kennst doch Angelo. Und ich hab’ nie eine Fliegerin gesehen, die völlig Frau war.«
    »Ach, komm, deine eigene Mutter hat vier Kinder!«
    »Ja, das meine ich gerade. Die Familie hat Lu schon verheiratet, bevor sie alt genug war, um selbst darüber nachzudenken. Und da sie katholisch war, hatte sie wahrscheinlich vier Kinder, w eil es ihr nie in den Sinn kam, da ss sie irgendetwas dagegen tun könnte. Aber denk mal nach. Du kennst Lucia. Glaubst du, dass ihr ein anständiger Tierschutzverein Kätzchen zum Großziehen geben würde? Ich nicht. Natürlich, wenn sie zu Hause wohnt, zieht sie eine gute Show ab. Tut so, als ob für sie das Wichtigste ist, ob die Spaghetti anbrennen. Du hast sie nicht gekannt, du warst ni cht da, als ich ein Kind war. O verdammt, wie sind wir bloß darauf gekommen? Egal, wie ich gesagt habe, bei Angelo ist alles Instinkt – er denkt es nie zu Ende – und vielleicht ist das richtig so.
    Vielleicht sollte ich dies nicht alles begründen wollen.
    Ich meine nicht, dass es notwendigerweise alles Sex ist, genauso wenig wie Tanzen nur Sex ist. Ich meine bloß , dass alles von der gleichen Stelle in deinem Bauch kommt. Das, wodurch Sex funktioniert. Dein Inneres, deine Gefühle. Ich glaub’, das ist der Grund, warum wir beide so gut zusammen sind, und warum, wenn wir so hart gearbeitet haben, nicht viel übrig ist, nicht – nicht mal für dies Zeug«, sagte er und berührte Tommy sanft.
    Tommy dachte darüber nach. Dann sagte er: »Ich hab’ gedacht, der Grund, warum wir so gut zusammen sind, ist, weil – na ja, du hast mir das Fliegen beigebracht, du bist sozusagen das Fliegen, was mich betrifft, und wenn ich ans Fliegen denke, denke ich an dich…«
    »Und warum sind dann Angelo und ich keins von diesen perfekten Teams?« wollte Mario wissen.
    Tommy dachte, ihr seid es ja irgendwie beim Dreifachen, aber er sagte es nicht laut, als Mario fortfuhr:
    »Angelo hat mich beinahe großgezogen , er hat mir alles beigebracht, was ich weiß . Versteh mich nicht falsch, ich liebe Angelo sehr, als ob er mein eigener Vater wäre. Er ist ein wunderbarer Fänger, und geduldig. Mein Gott, hast du eine Ahnung, was es bedeutet, jemanden von meiner Größe und mit meinem Gewicht beim Dreifachen zu fangen? Aber es hat nie wirklich zwischen uns gefunkt, so wie bei dir und mir. Gleich von Anfang an.
    Gleich zu Anfang hat es Papa Tony gesehen: Du und ich zusammen sind mehr als nur die Summe der Teile. Papa hat mal gesagt, Tommy, dass du was ganz, ganz Besonderes wirst. Und ich befü rchte – o Gott, Tommy, ich hab’ solche Angst – ich hab’ so schreckliche Angst«, sagte er und vergrub sein Gesicht im Kopfkissen.
    »Angst? Angst wovor, Mario?«
    »Angst, das Besondere an dir kaputtzumachen. Angst, dich so abhängig zu machen, dass du mit niemand anderem außer mir arbeiten kannst.«
    Tommy legte seine

Weitere Kostenlose Bücher