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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Lippen zu liebkosen.
    »Komm, komm. Ich will nicht, dass du weinst. Du bist so ein kleiner, harter Kerl, da hab’ ich vergessen, was für ein Kind du wirklich bist. Was ist los, Lucky?«
    »Mmh, nichts. Ich weiß nicht, wir – wir sind bloß immer so – so verschlossen und vorsichtig gewesen die ganze Zeit, da ist es immer aus mit mir…«
    Mario wiegte ihn weiter. Sein Hals schmerzte. »Hör zu, Junge«, sagte er schließlich , legte seine Hand unter Tommys Kinn und drehte das Gesicht des Jungen zu sich herum. »Wäre es einfacher für dich, wenn wir – mit dem ganzen Zeug, dem Sexkram, aufhörten? Und nur wieder Brüder sind, wie wir’s waren?«
    Er fühlte, wie Tommy in seinen Armen zuckte. Der Beginn einer Verneinung, und er hielt ihn fester.
    »Sieh mal, Tommy, ich liebe dich noch genauso, ich weiß , wie du dich fühlst, aber ganz ehrlich, Junge, es macht mir Angst, wenn dich das so mitni mmt. Ich hab’ eine Heidenangst, wenn ich dich so durcheinander sehe, wenn du weinst.«
    »Es tut mir leid, ich versuch’ –. Ich weiß , dass du es ha ss t…«
    »Ich hasse es nicht, Junge. Es macht mir bloß Angst, das ist alles.«
    »Glaubst du, dass ich irgendjemandem etwas von dir oder so erzähle, wenn ich so durcheinander und verstört bin? Was glaubst du eigentlich, was ich bin?«
    Mario unterbrach ihn mit einem festen Griff. »Nein, nein, Junge, das ist es nicht. Ich weiß , ich kann dir vertrauen. Mensch, ich vertrau’ dir mit meinem Leben, jeden Tag, oder? Auf dem Trapez? Ich bin es nicht; es ist nur was mit dir passiert! Das einzige auf der Welt, was ich möchte, ist, dass du glückl ich bist. Wenn ich dich so sehe – Junge, der Gedanke, dass ich dir das antue, macht mich fertig.«
    »Also, wenn du Schlu ss machen willst …«, fing Tommy an, aber seine Stimme blieb im Hals stecken, und er fing wieder an zu weinen, unsäglich verloren.
    »Ich könnte versuchen, meine Hände von dir zu lassen, wenn das helfen würde«, sagte Mario, »aber dazu ist es zu spät. Und es würde sowieso nichts daran ändern, was ich fühle. Die einzige Möglichkeit, jetzt aufzuhören, wäre, den Zirkus zu verlassen. Und ich schwör’ dir, ich hab mich schon gefragt, ob das nicht das einzig Anständige ist, was man tun kann, bevor ich dein Leben für immer versaue!«
    »Ich glaub’, ich sterbe, wenn du das machst«, sagte Tommy mit zitternder Stimme. »Und es hilft mir überhaupt nicht, wenn du mich stehen lä ss t und direkt unter meiner Nase mit Mädchen rumbumst!«
    »Ich hab’ gesagt, dass es mir leid tut, Tommy«, sagte Mario erschöpft. »Kann ich irgendwas tun – irgendetwas –, das dich ein bi ss chen aufmuntert? Lucky, du bist ganz durchgekühlt, wie du so daliegst. Komm unter die Decke. Ich will dich aufwärmen.«
    Er nahm Tommy in seine Arme. Tommy lag still bei ihm, schlaff und ruhig. Es war nicht die schöne Schläfrigkeit, die sei beide kannt en, sondern eher eine Art hoff nungsloser Ruhe, eine so völlige Verzweiflung, dass sie fast erstarrten. Schließlich sagte er: »Glaubst du denn, wir könnten einfach so weitermachen?«
    »Willst du, Tommy?«
    »Du bist derjenige, der mir beigebracht hat, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen dem, was wir wollen, und dem, was wir bekommen können. Ich hab’
    genug davon, dass du mich fragst, was ich will. Ich frag’, was wir kriegen können.«
    »Hast ja recht.« Er selbst hatte dem Jungen Härte als Schutzschild gegeben. Warum sollte es so weh tun?
    Mario mu ss te abwarten und seine Stimme festigen, ehe er sprechen konnte. »Alles, was ich dir geben kann, ist so weiterzumachen: Im nächsten Winter, wenn du immer noch so fühlst, wird es einfacher sein. Du bist dann älter.
    Sie werden nicht so auf dich aufpassen.«
    »Der nächste Winter ist eine Million Jahre weg«, sagte Tommy und lag still und starrte auf den weißen Umri ss des Kopfkissens. »Wie letzten Winter. Ich hab’ nie geglaubt, dass es sich so entwickeln würde.«
    »Ich auch nicht. Ich wollte dich, ja – schon vom ersten Mal an, als wir zusammen gearbeitet haben …«
    »Ja?« Tommy starrte ihn mit Verwunderung an.
    »Oh, sicher! Ich dachte, das wu ss test du. Aber ich hab auch gewu ss t, da ss , sogar wenn ich keine Hand an dich lege, wir uns einander etwas Besonderes bedeuten und wir auf eine ganz bestimmte Art versunken sein würden.«
    Tommy sagte mit dem konkreten Anspruch eines Kindes: »Meinst du das eine Mal im Haus, als du in mein Zimmer kamst und so getan hast, hinterher, als ob

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