Trapez
weiter.
»Hat jemand was zu sagen?«
Es war Lucia. »Garderobe. Liss und Johnny tragen alle alten Lumpen, die sie unten finden konnten. Und Matt, ich will, dass du diese Woche im Haus bleibst – nicht in Hollywood oder sonstwo rumtingelst immer mit dem Haufen Ballett-Boys und Schnapsdrosseln von der Uni.
Es ist noch nicht Saison, und du sollst deine Zeit für dich haben, aber ich will dich hier haben. Kapiert?«
»Sieh mal, Lu, ich habe einen Job. Ich kann es einrichten , für das Vorstellen frei zu bekommen, sicher, aber es ist sinnlos…«
»Du fährst sowieso jeden Tag hin und her«, sagte Lucia, »und wenn du hier schläfst, kann ich dich erwischen, wenn wir dich brauchen, und dafür sorgen, dass du genug i ss t und genug schläfst …«
»Lu, um Gottes willen, ich bin nicht mehr sechzehn!
Ich lebe seit sechs Jahren allein! Und überhaupt ist Tommy in meinem Zimmer, und Liss ist hier, und jeder muss schon zusammenrücken…«
Angelo sagte: »Lu hat recht, Matt. Du ziehst zu einem der Kinder, Clay oder Tommy. Aber du solltest hier wohnen.«
Mario zuckte die Schultern. »Du bist der Bo ss . Tommy!
Kannst du es aushalten, wenn ich eine Woche oder so zu dir ziehe?«
»Wenn es dir recht ist«, murmelte Tommy und wagte nicht aufzusehen, »ist es mir auch recht.«
Hiernach wurden die Tage sehr hektisch. Der Übungsraum war für jeden verschlossen, außer für die sechs, die tatsächlich arbeiteten. Und sogar Papa Tony, der nie außer Form war, übte mit ihnen.
Tommy hatte einmal geglaubt, dass es wunderschön wäre, wenn er und Mario ein Zimmer teilen und jede Nacht zusammen schlafen könnten. Aber es stellte sich als ziemlich alltäglich heraus. Sie waren zu beschäftigt und zu müde, um diese Gelegenheit auszunutzen.
Nichtsdestoweniger bedeutete es ihm eine Menge – dass er während dieser ermüdenden Routine jede Nacht mit seinem Kopf auf Marios Kopfkissen einschlafen und ein-, zweimal in der Nacht aufwachen konnte, um ihn atmen zu hören. Es war nicht mehr als das. Sie waren wieder dahin zurückgekommen, was sie seit Jahren waren – Partner, Gefährten, Brüder. Und die ganze Spannung zwischen ihren Körpern, die nie völlig abwesend war, schien sich nicht auf den Moment hin aufzubauen, wenn sie sich einander nachts in den Armen lagen, sondern bis zu dem Augenblick, wenn sie sich wie ein Körper von der Flugstange abwarfen. Wenn sie nach jeder Probe das Seil hinunterglitten, schwei ß durchtränkt, um ihre Bademäntel aufzulesen und sich zum Ausruhen hinzulegen (zweimal war Mario auf dem Boden eingeschlafen), fühlte sich Tommy schwach, ausgelaugt wie nach dem heißesten Liebesspiel. Nachts legten sie ihre Arme umeinander, bevor sie einschliefen, aber es war die müde, freundliche Umarmung von Brüdern. Tommy dachte, dass Mario diese Situation nicht völlig erkannt hatte – oder war er sich bloß sorgsam ihrer Position inmitten der Familie bewu ss t? – aber eines Morgens murmelte Mario beim Rasieren: »Gott, waren wir nicht artige Jungs?«
»Wer hat denn die Energie, um was anderes zu sein?«
»Wenn dies vorbei ist, so oder so, zeig’ ich dir das eine oder andere. Versprochen?«
»Versprochen.« Aber Tommy drehte sich weg, ängstlich, sich zu offenbaren. Es war besser so, an nichts anderes als an ihre Arbeit zu denken.
Am Wochenende erschien David Renzo, nicht völlig zu Liss’ Vergnügen (wie Tommy vermutete). Ein paar Minuten, bevor er auftauchte, hatte Liss ihren neuen Trick geübt und war hart ins Netz gefallen. Als David hereinkam, rieb sie ihr verschwitztes Gesicht mit einem Handtuch ab, aber als er seine Arme um sie legte, jammerte sie und befreite sich.
»Autsch!«
Lucia kam herbei und berührte ihren Arm. »Hast du dich verletzt, als du gefallen bist, Liss?«
Liss schüttelte ihren Kopf. Unbefangen zog sie ihren Pullover aus und stand in ihrem Büstenhalter vor ihnen.
Angelo kam auch, um sich das Netz dunkelroter Striemen auf ihrem Rücken anzusehen.
Lucia lachte. »Das wird dir nicht noch mal passieren, ragazza!«
»Meine Güte«, keuchte David Renzo. »Du siehst aus, als wärst du mit einer neunschwänzigen Katze oder so was ausgepeitscht worden. Was ist passiert? Bist du gefallen? Ich hab’s gewu ss t. Ich hab gewu ss t, dass ich dich nie hätte…«
»Sei nicht albern«, sagte Liss. »Ich bin ein bi ss chen zu hart auf dem Netz aufgekommen, das ist alles. Man fällt immerzu hierbei. Mach keinen Ärger, David, das ist mein Fehler.«
»Sieh mal, Liss, du hast mir nie
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