Trapez
verschwand.
Tommy sah sich in dem Raum um. Am Fängerende des Trapezes erkannte er Barbara, die auf dem Fangtrapez vorund zurückschaukelte. Es war mit einer »Wiege«
verstärkt worden, der Fu ß klammer , die von weiblichen Fängern und Anfängern benutzt wurde, anstelle der Beinhalterung für erfahrene Männer. Unter ihr zählte Johnny barfuß , in alten Arbeitshosen, die grob über den Knien abgetrennt waren, während sie schwang.
»Eins, zwei, drei – das ist es, ein bi ss chen schneller – hey, ist Liss fertig?«
Liss zog an dem Seil des Haltegurtes. »Er ist zu eng, es tut weh. muss ich den tragen?«
»Ja«, sagte Angelo barsch. »Dein Timing war gestern fürchterlich, und das weißt du auch. Es hat dir mal gut gepa ss t. Was hast du gemacht? Pommes frites gefuttert, oder bist du wieder schwanger.«
»Nein, verdammt«, rief Liss über Lucias leises Tadeln hinweg. »Johnny hat es bei Barbara angepa ss t! Ich brauche es nicht, und ich will es nicht! Matt, sag du ihnen, dass ich nie einen trage!«
Angelo lehnte gegen einen Stützpfeiler und sagte:
»Kindchen, wenn ich dich nicht selber fange, wirst du sehr wohl den Haltegurt anlegen, und du wirst ihn tragen, bis ich dir gestatte, ihn wegzulassen. Oder du kommst von da oben runter.«
»Hört, hört!« rief Lucia und drehte Liss mit einer freien Hand herum und zog den Gürtel stramm.
Mario lachte, und Liss schimpfte ärgerlich: »Du hast gut lachen! Du trägst nie einen!«
» Süßes «, sagte Mario beruhigend, »deine Arme und Beine sollen hübsch bleiben, nicht völlig aufgeschürft wie meine.«
Tommy ging hinüber, um Johnny zu fragen: »Was ist denn hier los?«
»Wonach sieht es denn aus?« Johnny wandte einen Moment seine Aufmerksamkeit von Barbaras Schwung ab. »Mit ein bi ss chen Glück werden wir einen Fliegerakt nur mit Mädchen haben in einer Saison oder zweien, wenn die Mädchen sich ein bi ss chen ranhalten. Komm Liss«, rief er. »Worauf wartest du?«
Plötzlich ernst, nahm Liss die Stange von Lucia. Sie waren alle sehr ruhig. Liss sprang vom Brett ab, schwang sauber, nahm das Trapez auf dem Rückschwung unter ihre gebeugten Knie und streckte ihre Handgelenke nach Barbara aus. Barbara fing sie, etwas unsauber, und Johnny rief: »Warte das nächste Mal , bis sie dich von der Stange nimmt, Liss – Du greifst immer noch! Barbie, winkle deine Ellenbogen etwas mehr an, sonst passiert was mit deiner Schulter. Gut, Angelo, la ss sie los.«
Als Angelo die Seile des Haltegurtes senkte und Liss langsam ins Netz herabließ , sagte jemand hinter Tommy:
»Hey, redest du dies Jahr nicht mehr mit mir?«
Er drehte sich herum und sah, wie ihn Stella ansah. Er hielt ihr seine Hand hin, aber sie warf ihre Arme um ihn und drückte ihn. Sie sah dünner aus und um ihren Mund herum waren kleine Lini en, die letztes Jahr noch nicht dagewesen waren. Sie fühlte sich so zerbrechlich an, dass Tommy Angst hatte, ihre kindliche Umarmung zu erwidern. Er sagte linkisch: »Mario hat mir erzählt, dass du krank warst.«
Ein Schatten legte sich auf ihr Lächeln. »Das stimmt, ich hab’ Johnny die Spielzeit geschmissen.« Sie zögerte.
»Er hat dir wohl erzählt, dass wir geheiratet haben?«
Tommy nickte. Du hast die Show geschmissen? dachte er ungläubig. Wahnsinnig! Mir scheint eher, er hat dich geschmissen, und zwar völlig. Aber er sagte das nicht.
»Und jetzt geht es dir gut, nicht, Stel?«
»Ich glaub’ schon. Der Doktor sagt, ich kann vielleicht nächste Woche wieder arbeiten, wenn ich mich gut fühle.«
Barbara berührte seine Schulter. Sie war jetzt grö ss er als Tommy; ein eckig gebautes Mädchen, mit lockigem, braunen Haar, rosa im Gesicht vor Anstrengung. Sie hatte ein Handtuch über ihr Trikot geworfen.
»Hey, Barbie! Was machst du hier oben?«
»Wonach sieht’s aus? Ich habe Lulu wegen des Fliegens gelöchert, bis Johnny sagte, dass er mir das Fangen beibringen würde – und da bin ich.«
»Bist du nicht schrecklich leicht für einen Fänger?«
Johnny hörte die Frage und drehte sich um. »Das ist Quatsch. Größe spielt keine Rolle – das ist alles Blödsinn! Das ist ein altes Märchen, dass der Fänger der stärkste Mann in der Nummer sein mu ss . Es ist ein Trick dabei, das ist alles. Du fängst nie mit ausgestreckten Armen und du ziehst an, wenn der Flieger deine Handgelenke trifft.
Stel kann mich fangen, ohne sich wehzutun. Ich hab’ es ihr für ein Kunststück beigebracht, weil es so unerwartet aussieht, dass ein kleines Ding wie
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