Trapez
sich hastig um und ging dann an seine Arbeit. Später sah er Mario und Reddick nahe dem Fuß des Trapezes, immer noch ins Gespräch vertieft, aber als er hinsah, lachten sie und gingen Arm in Arm weg. Er sah Mario bis zur Nachmittagsvorstellung nicht wieder. Als sich die Menge auflöste, und Tommy zurück in den Wohnwagen kam, fand er Mario dort vor, der einen Bademantel über seinem Trikot trug. Er rauchte eine Zigarette – immer eine Sturmwarnung –, und seine Begrüßung war dementsprechend düster.
»Du hast Reddick und mich ganz schön durcheinander gebracht. Ich dachte, ich hab’ dir gesagt, wie empfindlich er ist.«
Tommy zuckte die Achseln. »Er ist eifersüchtig. Das kann doch ein Blinder sehen, dass seine Frau oder was sie auch ist etwas von dir will. Und jetzt weiß er, dass du gut genug fangen kannst, um ihn wie einen Idioten aussehen zu lassen. Ich weiß nicht, wie du es wagen kannst, mit ihm zu arbeiten. Ich würde es nicht tun.«
»Es hat dich ja auch niemand gefragt. Und wenn du es nicht lassen kannst, vor ihnen anzugeben, lassen wir besser die ganze Sache, bis wir unseren eigenen Akt wiederhaben.«
Tommy hatte eine spitze Antwort auf den Lippen, besann sich dann aber eines Besseren. »Du bist der Bo ss , Mario.«
»Nein, es ist Reddick, und das vergi ss bitte nicht, Junge.«
Tommy knallte die Wohnwagentür hinter sich zu. Es machte ihn krank, undefinierbar krank, wie Mario sich diesem unfähigen Tölpel fügte. Die nächsten beiden Tage lang waren sie still, und Mario legte es darauf an, immer irgendwo auf dem Platz beschäftigt zu sein, wenn Tommy seine Gesellschaft suchte. Er erkannte, wie zerbrechlich ihr neues Arrangement war. Wie schnell es durch einen kleinen Knacks auseinanderbrechen konnte.
Aber spät am dritten Abend, in der Eile des Abbaus, als das Trapez mit einem plötzlichen Knall wegen eines Fehlers eines Arbeiters zusammenfiel, sah Tommy plötzlich auf, und erblickte Mario in seinem alten, schwarzen Pullover. Er arbeitete neben Tommy, ohne zu sprechen und verstaute die Seile und Drähte auf präzise, fast mechanische Weise wie in einem sorgfältigen Tanz, indem sie Seile und Stangen und Stahldrähte in festgelegten Bewegungen anordneten. Keiner sagte etwas, aber als sie schließlich den Wohnwagen anhängten, und jeder in sein Auto stieg, um sich auf die lange Fahrt in die nächste Stadt zu machen, grinsten sie sich auf die alte Weise an.
Tommy wu ss te, dass sie vor zwei oder drei Uhr morgens nicht ins Bett kommen würden, aber das spielte jetzt keine Rolle.
Als er am nächsten Morgen Verkaufsbuden aufbaute, war Tommy überrascht, Mario auf der Spitze des Trape zes zu sehen mit dem schlanken, dunkelhaarigen Teenager, den er am ersten Tag in Marios Wohnwagen entdeckt hatte. Jack Chandler. Er sah, wie Mario dem Jungen die Stange gab. Jack schwang sich ungeschickt heraus und verlor dann mittendrin seinen Schwung. Nach ein paar schiefen Schwüngen kam das Trapez in der Mitte zur Ruhe, und Jack hing daran.
»Ist in Ordnung«, rief Mario. »La ss einfach los und la ss dich fallen.«
Tommy hielt an, um zuzusehen. Jack bekam also die erste harte Lektion, die einen Anfänger entmutigen sollte, der dachte, es wäre leicht und machte Spaß .
Tommy sah mit dem sachlichen Amüsement eines geborenen Athleten zu, der niemals am Trapez ›eingefroren‹ war.
»Na los, ist schon in Ordnung. Ich sag’s dir. Du weißt , was du tun mu ss t. La ss einfach los.«
»Ich kann nicht…« Das Gesicht des Jungen war starr und verzerrt. Er war nah daran, hysterisch zu werden.
»Na los! Du hast es bei mir hundertmal gesehen. Entspann dich jetzt! Es ist ganz leicht. La ss einfach los und roll dich ab. Du wirst dir nicht weh tun.«
Es war nicht bloß Sturheit. Es war keine Absicht, es war bloß so ein Fall, bei dem die Muskeln der blinden, instinktiven Angst vor dem Fallen gehorchten, anstelle der Vernunft zu folgen, die ihm sagte, dass er sich nicht verletzen würde. Wie sehr das Opfer auch loslassen wollte, es konnte nicht. Es war nichts Komisches daran, obwohl es lächerlich aussah. Bei den Santellis war es immer Brauch gewesen, dem Opfer spöttische Bemerkungen, Beleidigungen und derbe Witze zuzurufen, bis es beschämt oder erschöpft genug war, um zu fallen. Aber Tommy nahm sich jetzt in acht, sich nicht einzumischen.
Er stand da und hörte Ma rio volle zehn Minuten brüllen, drohen, flehen und schmeicheln, bis Jack mit einem erschöpften Seufzer losließ und ins Netz fiel. Mario tauchte
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