Trapez
fühlte in sich jeden noch so kleinen Muskelbefehl… langsam etwas zurück oder er wird dich überschwingen … alles unterhalb der Schicht des Bewu ss tseins. Wenn er gewartet hätte, bis er Mario bei diesen Bewegungen gesehen hätte, wäre nicht Zeit geblieben, um das zu ändern, was er selbst tat. Es mu ss te alles von innen kommen. Jetzt nach vom, um ihn am dichtesten Punkt zu treffen – umklammern und entspannen – die unerträgliche Anstrengung – Erlösung… Ihre Handgelenke verschränkten sich mühelos. Bevor seine Finger es merkten, fühlte er Schmerz, Belastung –das ist das Handgelenk, das er sich zweimal gebrochen hat –und verlagerte seinen Griff um ein Winziges, um den Druck von der geschwächten Stelle des alten Bruches zu nehmen. Mario, der tief in der beinahe hypnotischen Anspannung des Fliegens versunken war, hatte weder den Schmerz noch die Erlösung wahrgenommen. Dann die schnelle Drehung – die fliegende Linie der Stange – ein Zuruf war unnötig. Der gegenseitige Handgelenkgriff löste sich im selben Augenblick. Wie machten sie es?
Kleine Verlagerungen von Muskeldruck, zu schwach für beide, um es auf einer bewu ss ten Ebene zu fühlen?
Es klappt, irgendwie klappt es.
Vielleicht lesen wir unsere Gedanken oder so. Es klappt jedenfalls so wie wir sind.
Es klappte immer wieder, bis hin zu dem Fu ß fang , dem Doppelten rückwärts und dem Zweieinhalbfachen. Dann war Tommy sich der riesigen Belastung ihrer Wahrnehmung zu dritt während des Flugpasses bewu ss t, als Stella seine Hände verließ und Mario auf ihn zukam. Eine Wahrnehmung, die um Sekundenbruchteile zu langsam arbeitete, um seinen Händen und seinem Gehirn bewu ss t zu sagen, was sie tun sollten. Er ahnte, dass Mario – erwärmt und entspannt – zuversichtlich und voll Vertrauen war.
Es klappt. Er weiß es auch. Darauf haben wir all diese Jahre hingearbeitet, und er weiß es jetzt.
Jetzt. Bevor er begann müde zu werden, bevor er begann zuviel nachzudenken oder sich Sorgen zu machen.
Jetzt, in diesem ersten Vertrauensstrom.
»In Ordnung, Matt«, rief er und schaukelte für einen Moment aufrecht. »Mach mal einen Dreifachen.«
Sogar auf diese Entfernung bemerkte er den schnellen, erstaunten Blick und fühlte den Ruck des Adrenalinsto ß es in sich –o Gott, treibe ich zu sehr? –und Marios kurzes Zögern.
»Lucky, ich bin nicht sicher…«
»Aber ich. Komm, Matt, schieb es nicht länger auf!«
Das habe ich vorher nicht gewu ss t. Der Flieger ist der Star, sicher, aber der Fänger ist der Bo ss , der eigentliche Bo ss . Mario hat immer jemanden gebraucht, von dem er Befehle bekam. Deshalb mu ss te ich beweisen, dass ich stärker war als er.
»Komm, Matt, du weißt , dass du es kannst. Ich warte hier auf dich.«
Er wartete nicht ab, ob Mario das tat, was er ihm gesagt hatte. Er ließ sich kopfüber hinunter und begann mit dem hohen kräftigen Schwung und schwang sich an die Grenzen dessen, was das Trapez aushielt. Die Grenzen des Menschenmöglichen… Gedanken streiften und verließen ihn ohne Spur. In einem seltsamen, umgekehrten Bild konnte er Mario herausschwingen sehen, sein Körper wölbte sich, pfeilgerade – hoch, kraftvoll und gerade. Er fühlte, wie er seine Schultern anspannte, seine Brust wölbte und seine Schenkel bog, um seinen eigenen Schwung zu beschleunigen. Als Mario zurückschwang, von ihm wegscho ss , merkte er, wie er seine Position ver änderte, um seinen eigenen Schwung ganz leicht zu verlangsamen und wieder einmal kamen die beiden Trapeze schnell und heftig aufeinander zu, und Mario scho ss hinauf, höher, an ihm vorbei, immer höher. Er konnte Mario nicht sehen, als sie zurückschwangen, aber der Uhrwerkrhythmus des Schwunges war immer noch in ihm. Als das Fangtrapez den entferntesten Punkt seines Rückschwungs erreicht hatte, hielt er die Luft an und warf seine Hände nach vorn, Schwung nach vorn … Das ist es. Er wölbte seinen Rücken und wu ss te, ohne etwas zu sehen, dass Mario vom Trapez abgesprungen war und sich drehte. Von irgendwo… und wieder… und wieder. Und dann schnellte der wi rbelnde, drehende Körper hervor und streckte sich und Handgelenk schlo ss sich um Handgelenk. Sie rutschten leicht und schlossen sich wieder, als der Rückschwung des Fangtrapezes etwas Schwung abfing. Er fühlte die unheimliche Belastung an Handgelenken, Schultern und Armen… fühlte, wie Mario instinktiv versuchte, die Last leichter zu machen. Tommy wu ss te, schweißgebadet , dass er wieder
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