Trapez
atmete und jetzt Zeit hatte, Angst zu haben.
Er flüsterte heiser Mario zu, der direkt unter ihm schwang: »Okay?«
Marios barsche Stimme, zu heftig konzentriert für Erleichterung oder Jubel, erwiderte: »Okay… Pa ss auf!« Er ließ los, fiel ins Netz, rollte sich ab, als er fiel und landete mit einem perfekten Wippen und war selbst in diesem Moment wachsam genug, um zu Stella hinaufzurufen: »Es ist in Ordnung, okay…«
Noch bevor Mario wieder auf die Füße kam, tauchte Tommy neben ihm ins Netz.
»Was war los? Bist du in Ordnung?«
»Sicher«, sagte Mario und stützte ihn automatisch mit einer Hand, ohne wahrzunehmen, dass er es tat. »Mir geht es gut – hab’ bloß vergessen, was für eine verdammte Belastung das für mein Handgelenk ist. Als ich das regelmäßig gemacht habe, hatte ich es immer verbunden, weißt du noch? Ich habe es mir abgewöhnt, als ich pausierte .« Und dann brach plötzlich in seinen Augen ein Lächeln aus und verbreitete sich über sein ganzes Gesicht.
»Hey«, flüsterte er ungläubig, »ich hab’s geschafft, Lucky. Ich hab’s wirklich wieder geschafft!«
Tommy wollte gleichzeitig lachen und weinen. Er tat nichts von beidem. Seine Stimme war sachlich: »Sicher, ich hab’s ja gewu ss t.«
Stella war schon auf dem Fußboden , als sie aus dem Netz kletterten. Sie warf ihre Arme stürmisch um Mario.
»Du hast es geschafft! Du hast es geschafft! O Matt, ich bin so froh! Ich bin so froh, dass ich heulen könnte!«
Er kü ss te sie leicht auf die Stirn. »Na, aber nicht auf mich«, sagte er lachend. »Ich bin schon tropfna ss .
Mensch! Ich hätte fast vergessen wie es ging. Sieht aus, als ob die ›Flying Santellis‹ wieder im Geschäft sind!«
»Das verlangt nach einer Feier«, rief Stella. »Ich gehe rauf und erzähle es Lucia.« Und als sie draußen war, flogen ihre schnellen Füße die Treppen hinauf.
»Komm, Matt, zieh deinen Pullover an. Du bist durchnä ss t mit Schweiß «, sagte Tommy kurz, ging in den Umkleideraum und holte ein Handtuch.
Nach einer Weile hörte er Mario hinter sich. Dann kam Mario zu ihm und legte seine Hände auf Tommys Schultern und drehte ihn herum. Ihre Augen waren fast auf gleicher Höhe. »Tom, glaubst du, ich kann es einfach so belassen? Glaubst du, dass ich nicht weiß , was du getan hast?«
»Schau… Matt…« Er suchte nach Worten, die rechtfertigen würden, was er getan hatte. Er hatte einen Schritt unternommen, der den Dreifachen selbst fast gar nicht mehr als Höhepunkt erscheinen ließ . Aber er fand nicht die Worte, um es zu sagen. Er würde sie nie finden.
Mario sah ihn an und wu ss te es, und plötzlich legte er seine Arme um Tommy und kü ss te ihn herzhaft auf den Mund, wie er es nie wieder seit Beginn ihrer Liebe getan hatte. Er sagte mit brüchiger Stimme: »Ich liebe dich, Tommy«, und ging schnell aus der Halle, die Treppen hinauf.
Diesem erfolgreichen Tag folgte ein eher anstrengender. Am frühen Nachmittag mu ss te Stella mit der Mutter Oberin von Tessas Klosterschule sprechen, wo Suzy im Herbst in den Kindergarten kommen würde. Mario und Tommy mu ss ten allein üben, und es stellte sich heraus, dass es einer dieser Tage war, an denen alles schiefging.
Als sie die Leiter hinaufkletterten, stieß Mario mit seinem schlimmen Handgelenk mit solcher Wucht an die Sprossen, dass er sich ein paar Minuten festhalten mu ss te, bleich vor Schmerz, bevor er weitermachen konnte. Die Notwendigkeit, das Handgelenk zu schonen, warf ihn zwei-, dreimal aus dem Gleichgewicht. Schließlich ging er hinunter und umwickelte es fester. Danach ging es ein bi ss chen besser. Aber er verfehlte seinen ersten Versuch beim Dreifachen, bestand jedoch darauf, es noch mal zu versuchen und kam falsch im Netz auf. Er hatte es irgendwie geschafft, sein Gesicht an seine eigene Kniescheibe zu schlagen. Von dem Schlag fast bewu ss tlos, lag er benommen im Netz, und das veranla ss te Tommy, in plötzlicher Panik herunterzukommen, aus Angst, dass er ernsthaft verletzt war. Tommy mu ss te Ammoniak aus dem Umkleideraum holen, um ihn wieder zu sich zu bringen, aber eine vorsichtige Begutachtung der Verletzungen ergab nur Nasenbluten und ein sich verfärbendes Auge.
»Machen wir lieber Schlu ss für heute…« Tommy holte Eis aus der Küche, wickelte es in ein Handtuch und hielt es an Marios geschwollenes Gesicht. »Ist deine Nase auch sicher nicht gebrochen?«
»Nein, das würde ich fühlen. Ich hab’ da irgendeine Ader, die jedes Mal , wenn ich einen
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