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Trapez

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Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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einschüchtern, mein Sohn.
    Hier unten bist du einer von uns, wie er dir gesagt hat, mit denselben Rechten wie wir. Und auf der anderen Seite dieser Tür« – er lächelte plötzlich, und das Lächeln erleuchtete sein ganzes Gesicht – »bist du auch einer von uns.« Tommy konnte es kaum glauben, dass der unerbitt liche Alte, den er so gefürchtet hatte, so lächeln konnte.
    Er legte seinen Arm um Tommy und fuhr fort:
    »Ich möchte, dass du hörst, was ich der Familie und auch deinem Vater gesagt habe, bevor du hierherkamst.
    Wir nehmen keine Außenstehenden in die ›Flying Santellis‹ auf, Tommy. Jeder in der Familiennummer, jeder, der unseren Namen in der Manege trägt, muss einer von uns sein. Wir werden dich wie einen von uns behandeln«, fügte er ernst hinzu, »unseren Sohn, unseren Bruder, nicht bloß als Fremden, der mit uns arbeitet. Aber hör zu, mein Junge.« Er drehte sich herum und hielt Tommy fest bei den Schultern. »Das bedeutet auch Verantwortung.
    Wenn du nicht bereit bist, einer von uns zu sein, ein Kind unseres Hauses, ein guter, gehorsamer Sohn und jüngerer Bruder, sondern nur ein Gast oder ein Fremder, dann klappt das nicht. Du kannst hier kein Fremder sein.«
    Tommy war die Eindringlichkeit, mit der der alte Mann sprach, unangenehm, aber sie bewegte ihn auch. Er sagte mit leiser Stimme: »Ich versuch’s, Sir.«
    »Gut, gut!« Papa Tony ließ ihn los, lächelte und schnupperte nach dem Duft, der sich durch die offene Tür schlich. »Ich glaub’, das Abendessen ist fertig. Lucia ruft bald alle zusammen. Matt, nimm Tommy mit nach oben und zeig ihm, wo man sich fürs Abendessen fertig macht.«
    »Klar, komm mit.« Mar io zögerte, sah zu seinem Großvater hinüber, lachte dann, klopfte Tommy auf die Schulter und sagte: »Komm mit, kleiner Bruder.«
    Tommy bemerkte plötzlich, dass er wirklich fror und furchtbar müde war und, trotz des großen Frühstücks, wahnsinnig hungrig. Die Anspannung während der Reise und bei der Begrüßung zeigten ihre erschöpfende Wirkung. Er fragte sich, was es zum Abendessen geben würde. Es roch lecker, aber so fremd, dass er es nicht mal erraten konnte. Er knie te gehorsam neben Mario nieder, um seine Schuhe aus der Kiste auf dem Fußboden zu holen, bevor sie nach oben gingen.

KAPITEL 7

Der Übungsraum war dunkel, als Tommy ein paar Tage später die Tür öffnete, aber aus der halboffenen Tür des Umkleideraums kam ein Lichtstrahl. Er ging hinein und sah Mario dort, der zwischen zwei riesigen Pappkartons in der Ecke kniete.
    »Was machst du, Mario? Sagst du deine Gebete auf?«
    »Nicht ganz.« Mario richtete sich auf. »Haushaltspflichten. Nächstes Jahr ist das deine Sache, der letzte in der Hierarchie macht die ganze Schmutzarbeit.«
    Es roch komisch in dem Zimmer. Kampfer, Leim, ein abgestandener Geruch, den er nicht identifizieren konnte.
    Mario beugte sich wieder über die Kartons.
    »Jedes Jahr schwören wir uns wieder, dass wir das machen, wenn die Tournee zu Ende ist, und jedes Jahr schmeißen wir es dann in Pappkartons und sagen uns, wie viel leichter es sein wird, es zu Hause aufzuräumen, und ehe man sich’s versieht, ist es Neujahr, und man muss wieder die Sachen für die nächste Saison herausholen.«
    Tommy hatte vergessen, seine Schuhe auszuziehen. Er bückte sich schnell und ziemlich schuldbewusst , um sie aufzuschnüren, und brachte sie in die Kiste im Übungsraum. Als er zurückkam, hatte Mario seine vorläufige Erforschung der Kisten beendet. Eine davon drehte er um und leerte ihren Inhalt auf den Fußboden . Ein Gewirr von Stoff, schwarz und grün und gold und weiß , fiel auf einmal heraus und ergab ein einziges Durcheinander. Mario wiederholte das mit einem anderen Karton, verstreute dabei Mottenkugeln, die m it einem kleinen hoppelnden Ge räusch in die Ecke rollten, und betrachtete den Haufen ohne Begeisterung.
    »Was für ein Durcheinander!« Er bemerkte Tommys Blick und lachte. »Alles wird am Ende der Saison hineingeworfen, und ich muss es immer aussortieren, entscheiden, was noch gut ist für eine weitere Saison, was geflickt und fürs Training oder so benutzt werden kann und was unterwegs hätte weggeworfen werden sollen, anstatt es nach Hause zu schleppen.«
    Tommy war amüsiert und verwundert. Die Santellis waren sonst unterwegs so pedantisch, fast schon krankhaft. Er erzählte Mario, was er dachte.
    »Ja, und am Ende der Spielzeit haben wir so die Nase voll davon, alles dreimal zu überprüfen, dass wir uns in der letzten

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