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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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erwischt. Und als er wieder sehen konnte, konnte er keine Höhen mehr vertragen, konnte nicht mal mehr das Seil hochklettern. Nicht, dass er seinen Mut verloren hätte, er konnte einfach nicht balancieren. Irgendwas war in seinem Kopf nicht richtig.
    Er hatte immer diese fürchterlichen Schwindelanfälle.
    Fiel um, konnte nicht laufen oder so. Nach ein paar Monaten wurde sein Haar weiß . »Es war« – Mario spreizte seine Hände in einer hilflosen Geste – »es war schrecklich. Er reiste eine Zeitlang mit der Show, nachdem er wieder gut laufen konnte, aber er wurde die Schwindelanfälle nie mehr ganz los. Er hat sie immer noch manchmal, nicht sehr oft. Vertigo nennt man das. Schließlich hörte er auf und ließ sich hier nie der. Ihm gehören einige Vergnü gungsparkkonzessionen draußen am Strand.«
    Tommy schlo ss die Augen. Das Gesicht des fröhlichen kleinen Mannes mit dem schneeweißen Haar schien plötzlich furchtbar in seiner Fröhlichkeit.
    »Solche Sachen passieren in diesem Geschäft«, sagte Mario niedergedrückt. »Ein Ausrutscher und bumm! In dieser Minute Hauptmanege und weltberühmt, in der nächsten Minute nirgends. Wenn mir das passiert, hoffe ich nur, dass ich mir den Hals breche und es vorbei ist.«
    »Ganz schön grauenhaft, so was zu sagen«, sagte Tommy ärgerlich. Er zitterte, es war kalt in dem dunklen kleinen Zimmer.
    Mario richtete sich auf und beugte sich hinüber, um Tommys Koffer zu öffnen. »Das habe ich nicht wirklich so gemeint. Joe ging es eine Zeitlang sehr schlecht, aber jetzt ist er okay. Ihm geht’s gut und es hat ihn nicht kränklich gemacht oder so. Er liebt es, vorbeizukommen und uns zuzusehen, und e r lässt Barbie das Fliegen erler nen. Ich glaub’, ich bin nur irgendwie deprimiert, weil Liss noch nicht da ist. Ich hätte sie so gern gesehen.«
    Er half Tommy auszupacke n und seine Sachen wegzu räumen und leerte die Schubladen in der Kommode für ihn. Nachdem sie die letzte Schublade geschlossen hatten, sagte Mario: »Jetzt nehme ich dich mit runter in den Übungsraum und führ’ dich herum.«
    Die Hintertreppe war s chmal und staubig, und die Flü geltüren am Fuß des Treppenhauses waren geschnitzt und verziert und ziemlich dreckig, ein seltsamer Kontrast zu dem makellos glänzenden Rest des Hauses. Sie klemmten alle leicht, als Mario den Knauf drehte. Er warf sich schließlich gegen eine von ihnen, sie sprang auf und gab den Blick auf den riesigen Übungsraum frei.
    Drinnen beugte sich Mario nach vorn und schnürte seine Schuhe auf.
    »Hausregel. Wirf deine da drüben in die Kiste, Tommy.«
    Die Kiste aus rauem Holz war an der Seite mit
    ›Keith’s Apples‹ bedruckt. Aber darunter war ein Stück Filz geklebt, damit sie geräuschlos auf dem Boden rutschte. »Papa Tony lä ss t den Fußboden jeden Dezember polieren«, erklärte Mario, »und wehe dem, der Streifen draufmacht. Er merkt sich jede Schuhsohle im Haus.«
    Mario knipste das Licht an. Die Neonbeleuchtung war das einzige Moderne in dem Raum. An den Wänden alte Rokokoverzierungen, bre ite Spiegel mit dunkelangelaufe nen Goldrahmen, Überreste aus der Zeit als Tanzsaal. Die Wände waren riesig; die Spiegel, die die Schnitzereien und das Licht reflektierten und vervielfachten, ließen sie noch grö ss er erscheinen, als ob sich der Raum ins Endlose erstreckten würde. Ein großer glänzender Fußboden zu strahlendem Schimmern poliert, reflektierte die Lichter, die hoch über ihm sc hienen. Tommy, der die Behelfs übungsschuppen der meisten Zirkusakte gewohnt war, war beeindruckt und ungemein überrascht, und in späteren Jahren wiederholte und löste sich das Rätsel um Papa Tony in der Erinnerung an den glänzenden Fußboden und die erhaltenen antiken Schnitzereien.
    Am anderen Ende des Raumes war das Flugtrapez aufgebaut. Ein Großes Bünde l in einen Segeltuchsack einge rollt – das Netz – lag darunter. Der Raum war so riesig, dass das Trapez ihn weder beherrschte noch sich in ihm verlor. Von der Decke herab waren ein Tau und eine Strickleiter an den Seitenwänden angebracht. In etwa fünf Meter Höhe war ein einzelnes, festes Trapez errichtet worden, ein anderes, ungefähr drei Meter hoch, hatte eine dicke Matte darunter.
    Mario zeigte auf das niedrigere. »Gehört den Kindern«, erklärte er. Er bewegte sich lautlos auf seinen Socken, als er Tommy in die Mitte des Raumes führte. Hoch über ihren Köpfen, direkt über der Tür, durch die sie hereingekommen waren, war eine kleine Empore.
    »Der alte

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