Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
allen Seiten. Er konnte keinen Finger oder Fuß rühren, ohne Spott von allen zu ernten.
    Er war so müde wie noch nie in seinem Leben. Sein Hemd und seine Hose waren so mit Schweiß getränkt, dass sie feuchte Stellen an der Stange zurückließen , und jeder Muskel schmerzte wie ein gezogener Zahn. Aber es gefiel ihm, es war kein Spiel mehr.
    Schließlich wandte Papa Tony sich ihm zu. »Geh runter, du bist müde.«
    »Oh, nein, mir geht’s gut«, protestierte Tommy nicht wahrheitsgemäß .
    Papa Tonys dunkle Augen blitzten ihn an. »Ich sage, dass du genug hast. Du beginnst zu zittern. Du wirst fallen. Runter mit dir, und zieh dir deinen Pullover an.«
    Tommy hatte vergessen, einen Pullover mit in den Übungsraum zu bringen, und so wurde er die erste Ziel scheibe der Saison für einen von Papa Tonys legendären Ausbrüchen. »So, du willst also auf den kalten, zugigen Treppen in schweißnassen Klamotten herumlaufen?
    Basta – Du verdienst eine Lungenentzündung! Und die Beine nackt wie ein Amateur oder eine Frau! Such dir ein paar Hosen, bevor du hier wieder herkommst, kapiert?
    Und jetzt runter da. Runter vom Trapez! Raus aus der Halle!«
    Aber als Tommy mit dem Türschlo ss herumfummelte, hörte er die kräftige Ba ss stimme erneut laut werden.
    »Angelo, per nome di Dio, hast du in Mexico vergessen, wie man ein Seil herunterkommt? Du rutschst! Und was passiert mit der Haut an deinem Handgelenk? Wo ist überhaupt dein Gelenkschutz? Glaubst du, bloß weil es der erste Tag ist, dass dir dort Lederh aut gewachsen ist? Du Pinocchio an Drähten, du …«
    Tommy schlo ss die Tür hinter einer Flut von italieni schem Staccato, aber er hörte, wie sie sich hinter ihm leise öffnete und wieder schlo ss . Mario, der hinter ihm die Treppen hinaufschlich, flüsterte: » Ich dachte, ich hau’ besser ab, bevor Papa Tony anfängt, ein paar Kosenamen in meine Richtung zu werfen.«
    Tommys Leben verfiel schnell in Routine. Frühes Training allein mit Mario, Schule, noch mal üben mit den anderen am späten Nachmittag.
    Ungefähr eine Woche später, als er das Licht im Übungsraum für das Morgentraining einschaltete – Mario hatte den Auftrag, Tommy das Extratraining, das er brauchte, zu geben – , hörten sie Schritte auf der Hintertreppe, und Johnny kam herein. In seinen ausgebleichten Trikothosen, die einmal rot gewesen waren, sah er grö ss er aus, stämmiger.
    »Was dagegen, wenn ich mitmache?« fragte er zaghaft.
    »Stel steht nicht so früh auf. Könnt ihr einen Fänger gebrauchen?«
    »Komm rüber«, sagte Mario spontan. »Tom, dir macht’s nichts aus, oder?«
    »Nein, ist mir gleich.«
    »Komm, dann an die Arbeit«, sagte Mario. »Ich hab’ den Jungen bis jetzt gefangen, aber ich kann auf der Plattform mehr mit ihm anfangen, wenn du da bist, um ihn zu fangen.« Er begann die Strickleiter hinaufzuklettern, drehte sich dann aber um.
    »Dabei fällt mir ein – sag Stella, sie könnte uns einen großen Gefallen tun, wenn sie einoder zweimal früh aufstünde und runterkäme, um mit uns zu üben. Ich bringe Tommy bei, im Fangtrapez zu schaukeln, sein Timing aufs Flugtrapez abzustimmen und so weiter. Aber er ist noch ein Fliegengewicht; er könnte mich nicht fangen, ohne sich die Arme zu brechen. Und ich glaub’ nicht, dass Barbara schon soweit ist. Stella wiegt doch nicht viel?«
    »Gott, nein. Achtzig Pfund oder so. Okay, ich frag’ sie.
    Aber warum bringst du Tommy das Fangen bei? Ich dachte, er soll ein Flieger werden?«
    »Weil«, erklärte Mario geduldig, »es eine gute Idee ist, von beiden Seiten zu lernen. Und falls Stella mal Teil der Familiennummer wird, sollte sie es auch können.«
    »Okay, okay.« Johnny duckte sich wie vor einem Schlag. »Erspar mir den Vortrag. Ich seh’ schon, du haust genau in die alte Kerbe der ›Angelo Santelli Flugund Besserungsanstalt‹.« Er begann, die Seile an seinem Ende des Netzes zu überprüfen und kletterte dann auf das Fangtrapez. »Dann wollen wir uns mal deine Flüge ansehen, Signor Mario. Und ich kann mir mal deinen Schützling ansehen.«
    Als sie Johnny dabei zuschauten, wie er Schwung bekam und sich dann rückwärts in die Fangposition hinab ließ , flüsterte Mario: »Ich geh’ zuerst rüber. Ich will sicher sein, dass er keine Albernheiten macht.«
    Tommy beobachtete kritisch, wie sich Mario hinausschwang, einen Vorwärtsschwung über die Stange machte und nach Johnnys Handgelenken griff. Ein sauberer Fang ohne Mühe oder Patzer. Als er zur Flugstange

Weitere Kostenlose Bücher