Trattoria Finale
Türrahmen passte, weil er fast so breit wie hoch war, walzte sich auf die Gastgeber zu und schnaufte im Gehen oder vielmehr Watscheln: »Ciao a tutti! Bitte entschuldigt meine Verspätung. Man hat mich am Flughafen festgehalten, weil mich jemand mit einem sizilianischen Mafioso verwechselt hat. Als wenn es nur einen einzigen dicken Siciliano gäbe, hahaha!«
»Ugo, carissimo! Mein Bester!«, rief Ettore und breitete die Arme aus, obwohl sich zeigte, als Ugo Ferrero ihn erreicht hatte, dass er diesen beim besten Willen nicht komplett umfassen konnte. Die beiden beließen es dann auch bei einer angedeuteten Umarmung. Die beiden Bodyguards des Dicken blieben in respektvoller Entfernung stehen. Auch Jacques begrüßte den Neuankömmling: »Lieber Ugo, wir hätten uns nicht vorstellen können, dass du zu einem Festessen nicht erscheinst. Und wieder hast du uns nicht enttäuscht!«
Ugo lachte laut und legte seine feisten Arme auch um Jacques. »Ihr beiden seid einfach zu alt, dass ich euch enttäuschen dürfte. Wer weiß, wie oft wir in diesem Leben noch gemeinsam essen!«
»Hört, hört!«, tönte es vom Eingang. »Wenn ich das gesagt hätte, wäre es euch bestimmt wie eine Drohung vorgekommen!«
»Nicht doch, mein lieber Slavko«, sagte Ettore lächelnd und winkte den neuen Gast herbei. Der Serbe war das krasse Gegenteil des Sizilianers, der vor ihm den Raum betreten hatte. Slavko Dobric, den man wegen seiner bevorzugten Tötungsmethode nur Arsenic nannte, war klein und hager. Das Auffallendste an ihm war, dass jeder Zentimeter seiner Haut tätowiert war und ein Motiv hässlicher und schlechter gestochen als das andere war. Doch auch er wurde herzlich umarmt und gedrückt, bevor er seinen Platz an der Festtafel einnahm. Als alle saßen und mit Getränken versorgt waren, ergriff Ettore wieder das Wort.
»Also, liebe Gemeinde, die ihr alle jenseits von Gut und Böse seid, Jacques und ich sind sehr froh, dass ihr unserer Einladung gefolgt und heute hier in unserem bescheidenen Heim seid. Wir beide sind jetzt über neunzig Jahre alt und erfreuen uns immer noch allerbester Gesundheit. Nun ja, manches macht uns mehr Mühe als in jüngeren Jahren, manches dauert ein bisschen länger, und manches hält nicht mehr so lange an.«
Gelächter unterbrach ihn. Ettore grinste und sprach weiter: »Wie ihr sicher wisst, haben wir in den letzten Jahren schon etwas ruhiger getreten. Wir haben nur wenige Aufträge angenommen, nur noch handverlesene Jobs gemacht. Wir wollten uns nicht nachsagen lassen, dass wir schlechter werden würden, immerhin haben wir einen, wie ich mit aller gebotenen Bescheidenheit bemerken möchte, exzellenten Ruf zu verlieren. Und da ja in diesem Leben alles einmal ein Ende haben muss, verkünden wir nun heute im erlauchten Kreise unserer besten Freunde und Konkurrenten den Abschied vom Geschäft. Wir haben verrückte Dinge gesehen und gemacht, einige illustre Persönlichkeiten haben wir für enorme Gagen in eine bessere Daseinsform befördert. Und wir haben niemals etwas bedauert. Bis auf das eine: Unser großes Hobby, das Zubereiten feiner Speisen, kam dabei manchmal etwas zu kurz. Und nun wollen wir, da wir unseren offiziellen Abschied vom professionellen Töten bekannt geben, gleichzeitig kundtun, dass wir hier in unserer geliebten Villa Sangue eine Trattoria eröffnen werden. Kleine feine Speisen, für den besonderen Geschmack von unserer Hand zubereitet. Wie ihr sicher alle wisst, ist mein guter Jacques ein ausgebildeter Koch, dem guten Onkel Chaim sei Dank. Ich habe ja nichts anderes gelernt als – na ja ihr wisst schon –, und die letzte Lebenszeit, die uns noch vergönnt ist, möchten wir gemeinsam am Herd und am Tisch mit Menschen guten Geschmacks verbringen.«
Er machte eine Pause und trank einen Schluck aus seinem Champagnerglas.
Sein Neffe Mario nutzte die Unterbrechung für eine Frage: »Wollt ihr uns nicht erzählen, wie ihr euch eigentlich kennengelernt habt?«
Ugo Ferrero meinte schnell: »Nein, sag uns zuerst, was es gleich zu essen gibt, ich habe Hunger!«
Ettore lachte und antwortete: »Ihr werdet es nicht glauben, aber diese beiden Fragen können wir in einem Aufwasch beantworten. Jacques, mein Guter, wollen wir die Geschichte von unserer ersten Tajine in Paris erzählen?«
»Gerne«, sagte Jacques. »Wir haben nämlich für heute Abend unter anderem eine Tajine zubereitet, ganz ähnlich derjenigen, die uns damals zusammengebracht hat. Wenn ihr die neunzig überschritten habt,
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