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Trau niemals einem Callboy! (German Edition)

Trau niemals einem Callboy! (German Edition)

Titel: Trau niemals einem Callboy! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Kluger
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gebügelt hatte, sah es halbwegs präsentabel aus.
    Mit einem triumphierenden Lächeln kehrte ich ins Wohnzimmer zurück. »Na, wie sehe ich aus? Wie der junge Humphrey Bogart?« Ich drehte mich einmal im Kreis.
    Vater schaute kurz auf und vertiefte sich dann wieder in seine Zeitung. »Wenn man von deiner Stimme und deinem Busen absieht, könnte man dich glatt für einen Mann halten.«
    Verdammt. Das hatte ich vergessen. Also wieder zurück ins Badezimmer, dort kramte ich nach Verbandszeug und wickelte es mir um die Brust. Endlich sah man nichts mehr von meiner Oberweite, und ich war so weit, dass ich die Schauspielstunden mit Dad absolvieren konnte. Etwas, wovon ich dachte, es würde die leichteste Übung an diesem Tag werden.
    »Spiel mir die Schlussszene aus ›Casablanca‹ vor«, verlangte er.
    »Die Szene, wo Bogart die Bergman zum Flugzeug bringt?«
    »Ja, die Stelle, in der er ihr sagt, dass sie ohne ihn Casablanca verlassen soll.«
    »Das sind nur ein paar Sätze. Damit komme ich beim Casting nicht weit.«
    »Na und? Wenn du die überzeugend bringst, so überzeugend, dass der ganze Film darin zum Ausdruck kommt, dann wirst du damit auch beim Casting Erfolg haben. Das ist ja die Kunst. Mit einigen wenigen Worten mehr auszudrücken als andere Schauspieler in einem langen Monolog.«
    Nach dieser Erklärung ahnte ich, wie schwierig die Zusammenarbeit mit Dad werden würde. Ich gab mein Bestes und versuchte, mich in den Film hineinzudenken. Ich hatte die Szene lebhaft vor Augen. Es regnete, als Humphrey Bogart in der Rolle des Rick Blaine und Ingrid Bergman als Ilsa Lund aus dem Auto stiegen. Sie hatten gerade den Flughafen erreicht. Dort wartete schon das Flugzeug, das sie in Sicherheit bringen sollte.
    Es war Nacht, die Feuchtigkeit hing in weißlichen Schwaden in der Luft, und die gesamte Atmosphäre war düster und angespannt. Die Deutschen waren hinter Ilsa und ihrem Mann Victor László her. Während des Zweiten Weltkrieges drohte ihnen die Gefahr, festgenommen und ins Konzentrationslager gesteckt zu werden, falls sie erwischt wurden. Obwohl Ilsa seine große Liebe war, sorgte Rick dafür, dass sie und ihr Ehemann das Flugzeug bestiegen. Er selbst wollte in Casablanca zurückbleiben. Ilsa versuchte, ihn dazu zu bewegen, mit ihnen gemeinsam zu flüchten, doch Rick blieb standhaft.
    Die Abschiedsszene zwischen Rick und Ilsa kochte vor Emotionen. Von hingebungsvoller Liebe bis zu Tragik war alles vertreten, was das Künstlerherz begehrte. Es war der Ausschnitt des Films, der Geschichte schreiben sollte.
    Ich holte tief Luft. Ich kann das. Diese Szene hatte ich so oft gespielt, dass ich die Worte auch im Schlaf wiedergeben könnte. Ich fixierte Dad, als sei er Ilsa Lund, und hob an: »Wenn dieses Flugzeug abhebt, wirst du es bereuen, wenn du nicht an Bord bist. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber bald und dann für den Rest deines Lebens.« Atemlos hielt ich inne. Die Worte hatten mich tief bewegt, so eindringlich war das Bild einer Ingrid Bergman, die zu Rick aufschaute.
    »Das war ganz nett«, kommentierte Dad meine Darbietung. »Aber mehr auch nicht. Das ist aber doch alles sehr dramatisch! Rick sorgt dafür, dass seine große Liebe fliehen kann. Zusammen mit ihrem Mann! Sie in Sicherheit zu bringen ist ihm wichtiger als die Erfüllung seiner Liebe. Das ist wahre Hingabe! Versetze dich in diese Person, sei dieser Mensch!«
    Versunken in Gedanken ging ich auf und ab. »Casablanca« war ein Film, den ich etliche Male gesehen hatte. Stundenlang hatten Dad und ich damals die einzelnen Szenen seziert. Seltsamerweise hatten wir nie das Gesamtwerk diskutiert. Was machte diesen Film aus? Warum war er immer noch der Kinofilm, der am häufigsten im Fernsehen ausgestrahlt wurde?
    Und dann erkannte ich es. Tragik! Darin lag der Schlüssel zu diesem Film. Zu dem, was »Casablanca« berühmt gemacht und dafür gesorgt hatte, dass dieser Film ein Klassiker wurde.
    Ich kannte die Emotionen, die ein Drama begleiten. Ich wusste, wie es sich anfühlte, wenn man einen Menschen, den man liebt, verlor.
    Wieder holte ich tief Luft, versetzte mich im Geiste an einen Flughafen, der irgendwo in Marokko lag. Spürte den Nebel, der in der Luft hing und den Nieselregen, der alles mit einem weichen Schleier überdeckte. Ich war dieser Rick Blaine, ein Mann, der versuchte, seine wahren Gefühle zu überdecken, indem er sarkastisch war. Ein Mann, der bereit war, sein Leben zu opfern, um ein anderes zu retten. Ein Held,

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