Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
Ein Fehler, wie ich kurz darauf feststellte.
»Wie lange bleibst du in L. A.?«, fragte mich ihr Verehrer. Die Botschaft war deutlich, eigentlich hätte die Frage »Wann verschwindest du wieder?« lauten müssen. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Die Augen schossen Blitze zu mir hinüber, der Unterkiefer mahlte unsichtbare Speisefragmente zu Staub, und seine Hände waren zu Fäusten geballt. Auch ohne Psychologiestudium war klar, was das bedeutete.
Zu spät fiel mir auf, dass er wie ein Bodybuilder gebaut war.
»Äh, keine Ahnung. So lange, wie es eben dauert, bis ich eine Rolle bekomme«, erwiderte ich und ignorierte seine Körpersprache. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass sich ein flaues Gefühl in meinem Magen ausbreitete. Immer schön den Macho mimen, versuchte ich mir Mut zu machen. Lässig und entspannt rüberkommen, setzte ich den inneren Monolog fort. Zum Beweis für meine Gelassenheit saugte ich mit dem Strohhalm die letzten Reste meines Milchshakes auf. Stace hatte mir ein Glas spendiert. Es schmeckt toll, versuchte ich mir einzureden. Wirklich. Da zog eine verführerische Duftwolke an mir vorbei. Meine Arabica-Kaffeemischung! Jetzt wusste ich auch, warum Stace mir das Glas Milchshake untergeschoben hatte. In der Kaffeemaschine brodelte gerade das Wasser, was bedeutete, dass sie eine neue Kanne aufgestellt hatte. Jede Wette, die beiden hatten bereits eine Kanne intus, während ich mein Dasein mit gesunden Proteinen und Vitaminen fristen musste.
Der Gorilla schien meine Gedanken zu lesen, denn mit demonstrativem Schlürfen und einem Grinsen tat er kund, wie toll der Kaffee schmeckte. Ich schoss einen giftigen Blick zu Stace hinüber, der an ihrem Rücken abprallte.
Verstohlen maß ich seine Muskelberge. Ganz ausgeschlossen, diesem Urvieh die Tasse zu entreißen. Selbst als überzeugter Mann, der ich nun einmal war, wusste ich, dass er mich zum Frühstück verspeisen würde, wenn ich ihm auch nur den kleinsten Anlass gab.
»Oh nein, Stace. Nicht einer von diesen hoffnungslosen Schauspielern«, setzte Gorilla unterdessen unsere Unterhaltung in Staceys Richtung fort und unterstrich damit die unausgesprochene Botschaft: »Was will dieser Loser hier?« Kurzerhand taufte ich ihn um: »Caveman« traf es besser als »Gorilla«. Der IQ dieses Kerls musste unter dem eines Primaten liegen.
Stace zuckte mit den Schultern. »Kim kann so lange bleiben, wie er will. Er ist Laurens Cousin und zahlt die Miete in der Zeit, in der sie weg ist.«
»Genau«, warf ich ein. »Aber keine Angst, Stace und ich, wir haben das alles schon hinter uns.« Jetzt hatte ich Cavemans volle Aufmerksamkeit, ebenso die von Stace. Etwas verspätet signalisierte mein Gehirn, dass ich soeben in einem riesigen Fettnapf gelandet war. Daran war nur das fehlende Koffein schuld.
»Was genau meinst du damit?«, fragte Stace.
»Uhuh, nichts. Du weißt schon, unsere Jugendsünden? Damals, als äh … na ja, eben kurz nachdem du mit Lauren zusammengezogen bist?«
»Nein, ich weiß nichts dergleichen.« Staceys Stimme hatte eine Temperatur, die weit unter null liegen musste. Gleich würde mir Kleopatra den Kopf abschlagen lassen. Und das mit vollem Recht.
»Nichts für ungut«, trat ich den verbalen Rückzug an. »Ich wollte Caveman nur ein bisschen ärgern.« Staceys Gesichtsausdruck wandelte sich mit erschreckender Geschwindigkeit von Genervtheit zu Besorgnis. Besorgnis?
»Wer ist Caveman?«, kam die dämliche Frage von meinem Gegenüber. Erleichtert ließ ich die Luft entweichen, die ich, ohne es zu merken, angehalten hatte.
»Ach, niemand, den du kennst. Und jetzt muss ich los.« Mit diesen Worten sprang ich auf und floh in mein Zimmer.
»Spiel’s noch einmal, Sam.«
Ingrid Bergman in »Casablanca«
6
» L auren, du brauchst einen neuen Namen. So wie es aussieht solltest du auch deinen Nachnamen ändern, damit es nicht irgendwelche Probleme gibt«, sagte mein Vater, während ich den Kaffee inhalierte, den ich mir gemacht hatte, kaum dass Stace und Caveman die Wohnung verlassen hatten. Kurz darauf war Dad bei uns aufgetaucht.
»Ich habe an etwas Einfaches gedacht, Kim Wallace zum Beispiel«, fuhr Dad in seinen Ausführungen fort.
»Gefällt mir nicht.«
»Wie wäre es mit Walter Marcs?«
»Hört sich an, als sei der Knabe mindestens fünfzig Jahre alt und scheintot«, nörgelte ich.
»Dann mach mir einen besseren Vorschlag.«
Vater war die Gelassenheit in Person. Das verwunderte mich, schließlich
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