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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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interessant. Hoffen wir mal, dass die Südafrikanerinnen vor dem Traubentreten nicht gejoggt sind.Also gut, bring eine Flasche südafrikanischen Frauenfüßler mit. Ich bin mir sicher, wir zwei werden einen richtig guten Abend haben.» Da irrte sie sich gründlich.
    * * *
    «Ich war ja schon ganz auf Finthen eingestellt», erzählte Susanne gerade. «Die haben da eine gebrauchte Kirche gekauft, eigentlich ganz witzig. Der Transport und der Aufbau haben, glaube ich, mehr gekostet als das Kirchlein selbst. Doch als ich mich schon intensiv auf Spargel, Kirschen und die örtlichen Fassenachtsvereine gefreut hatte, da entschied mein Kirchenvorstand hier in St. Johannis, dass er sich auf keinen der Bewerber auf die Pfarrstelle verständigen könne und bat mich, die Vakanzvertretung fortzusetzen. Ich habe dann unter der Bedingung zugesagt, dass ich zwei Jahre bleiben kann und sie in der Zeit intensiv und mit Hilfe einer professionellen Gemeindeberatung überlegen, was genau sie eigentlich wollen. Ich kenne da einen ganz hervorragenden Berater in Bad Schwalbach, wenn wir Glück haben, hat der Zeit und Lust, diese Beratung zu übernehmen. Der Mann hat sowohl eine Coaching- als auch eine Beraterausbildung. Und wir bräuchten beides. Ich glaube nämlich, die Kirchenvorsteher wissen nicht, was sie wollen. Deshalb passen wir ganz gut zusammen, die St. Johannisler und ich. Ich weiß ja auch nicht so genau, was ich will, zum Beispiel in Sachen Männer. Ich weiß nur, dass es mir hier in Mainz ziemlich gut gefällt und ich keine Lust habe, alle fünf Monate nach einer neuen Gemeinde Ausschau zu halten. Sie haben meinem Angebot zugestimmt, die Krise als Chance gesehen und so sitze ich weiter hier in der Altstadt in meiner schönen Wohnung oder auf meinem Balkon und betreue St. Jo hannis. Ehrlich gesagt, ich bin nicht böse drum. Ich liebe es einfach, morgens über den Markt zu schlendern, abends dem Dom und St. Johannis noch gute Nacht zu sagen, und der Lärm der ständigen Feste dringt auch nicht so laut in mein stilles Gässchen. Die Gemeindearbeit läuft gut, langsam kommen auch immer mehr Leute in den Gottesdienst, und obwohl ich noch keinen netten Adam habe, komme ich mir tatsächlich fast wie im Paradies vor.»
    Im Paradies klingelte das Telefon. Gutgelaunt ging Susanne an den Apparat. Tanja sah, wie ihre Freundin blass wurde.
    «Ja, ich habe verstanden. Ich komme sofort. Lassen Sie alles so, wie es ist und fassen Sie am besten nichts an. Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich bringe die Polizei gleich mit.» Susanne legte auf. «Das war der Küster. Er hat die Räume für den Kirchenladen richten wollen und hinter den Mülltonnen eine Leiche entdeckt. Ein junges Mädchen, ich fürchte, ich weiß, wer es ist. Julia Moll, sie wollte gestern Abend unbedingt ein Gespräch mit mir, ich habe in St. Johannis auf sie gewartet, aber sie kam nicht.»
    Tanja hatte schon ihr Handy aus der Tasche gezogen. «Arne, ich bin's. Komm doch bitte sofort zur St. Johanniskirche. Da liegt eine Leiche bei den Mülltonnen. Sag der Spurensicherung Bescheid. Ich bringe Susanne mit. Sie sagt, sie weiß wahrscheinlich, wer die Tote ist.» Tanja steckte das Handy wieder ein. «Die Kollegen von der Weißliliengasse sperren den Tatort gleich ab. Wir könnten auf einen Wagen warten, aber die paar Schritte haben wir schnell zu Fuß geschafft und du kannst mir auf dem Weg erklären, wie das gestern Abend war. Wenn die Tote tatsächlich diese Julia ist.»
    * * *
    Es war Julia. Susanne nickte und schluckte tapfer ihre Tränen herunter. Der Körper sah so erbarmungswürdig aus, wie er auf dem dreckigen Boden vor den Mülltonnen lag, den Blicken schutzlos preisgegeben. Susanne spürte den Impuls, sie hochzuheben, vor dem Schmutz zu bewahren. Zu spät. Julias Gesichtszüge wirkten nicht schmerzverzerrt. Sie schien von ihrem Tod überrascht worden zu sein. Der Küster berichtete aufgeregt, wie er den Körper erst entdeckt hatte, als er die Mülleimer entleeren wollte. In der Tat war diese Ecke ideal als Versteck. Eine kleine Betonmauer verdeckte den Blick auf die Tonnen. Niemand konnte von der Straße aus den Leichnam entdecken. Nein, das Eisentörchen sei nie verschlossen, warum auch. Dahinter waren ja nur Mülltonnen, nichts Wertvolles, echauffierte sich der Kirchendiener. Niemand habe ihm gesagt, dass er das Törchen abschließen müsse. Er lehne jede Verantwortung ab. Er sei ein unbescholtener Mann, der noch immer seine Pflicht getan habe. Aber keiner habe ihm gesagt, er

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