Traum ohne Wiederkehr
und stapfte hin und her, als arbeite es so stark in ihm, daß er nicht ruhig sitzen konnte.
Einmal öffnete sich die Tür, aber sie wurden nicht gerufen, statt dessen brachte einer der Wachen ihnen zu essen und zu trinken, während ein zweiter sie mit gespannter Armbrust im Auge behielt.
»Man versorgt uns gut.« Hawarel hatte die Deckel der Schüsseln hochgehoben und begutachtete ihren Inhalt. »Sieht so aus, als mäße man uns doch eine gewisse Bedeutung zu. Sag, Ruggard, wann läßt man uns endlich aus diesem Zimmer, von dem ich längst genug habe?«
»Gib dich zufrieden«, brummte der Offizier mit der Armbrust. »Du wirst dich über Langeweile nicht zu beklagen brauchen, wenn die Königin ihre Entscheidung getroffen hat. Das Schiff von den Sternen wurde bereits gesichtet, die Leuchtfeuer auf dem Berg flammten schon zweimal auf. Die Sternenmänner scheinen als ihren Landeplatz die Ebene vor Ty-Kry erwählt zu haben. Erstaunlich, daß sie alle in die gleiche Falle gehen. Vielleicht hatte Daskol recht, als er sagte, sie denken selbst überhaupt nicht, sondern führen nur die Befehle einer außerweltlichen Macht aus, die ihnen keine selbständigen Entscheidungen gestattet. Deine Zeit wird schon noch kommen, Hawarel. Und Ihr, Mund Olavas«, er trat einen Schritt näher, um Tamisan besser sehen zu können, »tätet gut daran, so läßt Euch Ihre Majestät ausrichten, den Sand für Euch selbst zu werfen. Falsche Seherinnen werden jenen ausgeliefert, die sie mit ihrem Lesen betrogen haben, damit diese mit ihnen machen können, was sie für richtig halten.«
»Wie wohl bekannt ist«, antwortete Tamisan ihm. »Ich habe nicht falsch gelesen, das wird sich zur rechten Zeit und am rechten Ort herausstellen.«
Als die Wachen gegangen waren, spürte Tamisan erst, welchen Hunger sie hatte. Offenbar war Hawarel nicht weniger hungrig, denn vom Inhalt der Schüsseln, den sie gerecht geteilt hatten, blieb nichts übrig.
Angenehm gesättigt streckte Hawarel sich, dann sagte er plötzlich: »Da du dich in der Geschichte auskennst und über alte Gebräuche Bescheid weißt, entsinnst du dich vielleicht auch einer Gepflogenheit, an die zu denken für uns im Augenblick vielleicht gar nicht so angenehm ist, nämlich, daß es bei manchen Rassen üblich war, den Verurteilten vor ihrer Hinrichtung noch ein gutes Mahl zu servieren – Henkersmahlzeit nannte man es.«
»Ich muß schon sagen, Ihnen fallen recht ermutigende Einzelheiten ein.«
»Das Ganze war aber doch wohl dein Einfall, denn du hast dich für diese Welt entschieden, meine Träumerin.«
Tamisan schloß die Augen und lehnte den Kopf und Schultern gegen die Wand. Ein plötzlicher Lärm riß sie hoch, als sie schon eine Weile eingenickt gewesen war. Inzwischen war es dunkel im Zimmer geworden, aber durch die offene Tür drang helles Licht. Ein Offizier stand dort mit einem Trupp Lanzenkriegern.
»Es ist soweit.«
»Es war eine lange Wartezeit.« Hawarel stand auf und reckte sich, als könne er kaum erwarten, was ihm bevorstand. Dann drehte er sich um und bot Tamisan seinen Arm an. Sie wäre gern ohne seine Hilfe ausgekommen, aber sie war so steif und verkrampft von dem unbequemen Sitzen, daß sie ihn dankbar nahm.
Wieder kamen sie durch unzählige, verwirrende Korridore und Säle, ehe sie endlich im Freien, unter dem Sternenhimmel standen. Ein geschlossener Wagen, viel größer als der Sesselwagen, wartete auf sie. Er hatte vier Räder und zwei Greifen zwischen den Zugschäften.
Ihre Bewacher zogen die Vorhänge vor, nachdem sie hineingeklettert waren, und steckten sie von außen fest, damit Hawarel und Tamisan nicht hinausschauen konnten. Als der Wagen knarrend durch das Tor gerollt war, versuchte Tamisan nach den Geräuschen zu erraten, welchen Weg sie einschlugen. Aber es war kaum etwas zu hören. Offenbar fuhr der Wagen durch die tief schlafende Stadt. In der Dunkelheit des Wagens spürte sie mehr eine Bewegung, als daß sie sie sah, dann streifte sie eine Schulter, und sie vernahm ein Wispern.
»Ich glaube, wir sind auf dem Weg zum verbotenen Feld!«
Die Erinnerung der Tamisan dieser Welt half ihr zu verstehen. Das verbotene Feld war die Ebene, auf der die beiden früheren Raumschiffe gelandet waren, ohne je wieder starten zu können. Das eine, das vor fünfzig Jahren hier angekommen war, war nie demontiert worden. Als eine verrostete Metallmasse stand es auf dem Feld, eine doppelte Warnung: für die Sternenmänner, keine Invasion zu versuchen, und für die
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