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Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Norton
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Follan zögerte.
    »Lady, es gibt so viele Dinge auf dieser Welt oder in der See, von denen nie je etwas bekannt wurde. Aber …« Wieder hielt er inne, ehe er sehr ernst fortfuhr: »Lady, Ihr seid meinem Lord in allen Dingen treu und verbunden, und Ihr seid seine Auserwählte. Ich muß Euch warnen: seid auf der Hut.«
    »Das bin ich, Älterer. Ich spürte selbst, worauf Ihr so freundlich seid, mich aufmerksam zu machen. Ich bin in LochNar nicht gern gesehen.«
    Erleichterung überzog sein Gesicht, als beruhige es ihn, daß sie auf seine Warnung hörte.
    »Es gibt überall Gerede«, sagte er. »Und für jene, die es sich gedankenlos anhören, scheint es immer zumindest eine Spur Wahrheit zu enthalten, das glauben sie jedenfalls. Ihr seid nicht von hier, und deshalb sagen einige, unser Lord hätte es besser treffen können. Ganz zu schweigen davon, daß eine Seesängerin anderen fast immer fremd bleibt.«
    »Follan, habt Dank für Eure offenen Worte. Ich wußte bereits, daß es einige gibt, die mich fort von hier wünschen. Nur dachte ich nicht, daß sie kein Hehl mehr daraus machen.«
    Sie ballte die Hände: Rhuys hatte Anhänger, aber hatte sie denn je geglaubt, daß dem nicht so sei? Mit welchen Lügen konnte er aufwarten, die ihr schaden mochten? Was war, wenn Kilwar nicht zurückkehrte?
    »Ihr seid die Erwählte unseres Lords«, sagte Follan. »Als die braucht Ihr nur zu befehlen, und Ihr werdet feststellen, daß die meisten hier auf Euch hören.«
    Sie lächelte schwach. »Älterer, diese Worte sind mir Schild und Klinge. Nur hatte ich gehofft, solche Waffen nicht aufnehmen zu müssen.«
    Doch nach wie vor wirkte Follan besorgt. »Lady, seid auf der Hut. Nach unseren Sitten führt Lord Rhuys hier den Befehl, solange unser Lord abwesend ist. Er ist verkrüppelt, und wir würden ihn nicht zum Seekönig wählen, doch die Tatsache erhöht sein Verlangen, Befehle zu erteilen, wann immer er kann.«
     
5.
     
    Tam-sin lag wach in ihrem Muschelbett. Sie hatte die Augen weit geöffnet, doch sie sah das kunstvolle Mosaikmuster aus winzigen Muscheln an der Decke nicht. Sie konzentrierte sich völlig auf diese andere Sicht, die eine Gabe ihres Tam-sin Ichs war, und so erblickte sie Kilwar, wie er breitbeinig auf einem schwankenden Deck stand. Nebelschwaden wanden sich um ihn, so grau wie die Gebeine schon lange Verstorbener.
    So deutlich sah sie ihn, daß sie glaubte, sie brauche nur die Hand, die sich automatisch bei diesem Gedanken von unter der Bettdecke hob, auszustrecken, um sie auf den muskulösen Arm des Seekönigs zu legen, damit er sich umdrehe und ihr in die Augen blicke. Doch viele Meilen trennten sie, wenn auch nicht im Geist, so doch körperlich.
    »Kilwar.« Ihre Lippen formten seinen Namen, ohne ihn laut auszusprechen. Sie war sicher, daß er ihren Ruf hörte, obgleich er unausgesprochen blieb, denn er drehte den Kopf ein wenig und schaute über seine Schulter.
    Doch genau in diesem Moment zuckte er ein wenig zusammen, und seine Züge spannten sich. Er mußte etwas wahrgenommen haben, das sie, Tam-sin, nicht hören konnte, denn leider lag es in der Natur dieser geistigen Verbindung, daß sie keine Geräusche übermitteln konnte, nur das Bild und eine Art Gedankenübertragung, die zu benutzen sie noch zögerte, um ihn nicht bei dem zu stören, was jetzt seine vordringlichste Aufgabe war.
    Ein weiterer Mann zeichnete sich in dem wallenden Nebel ab. Tamisan erkannte Pihuys, obgleich sein Abbild nur verschwommen zu sehen war, vermutlich, weil keine direkte Verbindung zu ihm bestand.
    Der Kapitän deutete mit einem Arm nach links, um die Aufmerksamkeit seines Lords auf etwas in dieser Richtung zu lenken. Und als Kilwar zur Reling trat, um in den sich immer mehr verdichtenden Nebel zu spähen, konnte auch Tam-sin es sehen – den schmalen Bug eines Schiffes, der durch die Nebelschwaden stach, wie eine Nadel durch ein Tuch.
    Doch das fremde Wasserfahrzeug behielt seinen Kurs nicht bei, sondern wechselte ihn mit jeder größeren Woge. Es war anzunehmen, daß kein Steuermann am Ruder stand. Sie sah, wie Kilwar den Kopf wieder drehte, und die Bewegung seiner Lippen. Männer sammelten sich auf dem Deck hinter ihm. Ein kleines Boot wurde von seiner Aufhängung gelöst und über Bord gelassen. Also war ihr Lord tatsächlich auf das Geisterschiff im Nebel gestoßen!
    In diesem Augenblick stach die Angst so tief in ihr Herz, daß sie die Kontrolle verlor. Kilwar, das Schiff im Nebel, alles war verschwunden, und Tam-sin lag

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