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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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damaligen Euthanasie-Programme mit unterstützt und durchgeführt hatten, im Bereich der Psychiatrie weiterbeschäftigt; und etliche, die geradezu Folter-Forschung an Kindern und Erwachsenen betrieben hatten, waren später renommierte (Kinder-)Psychiater, leiteten Kliniken, bildeten dort in ihrem Gedankengut junge Ärzte aus; manche werden sogar bis heute als führende Köpfe der modernen Psychiatrie und Psychosomatik gefeiert (Ernst Klee hat dazu viel recherchiert, seine Filme und Bücher sind sehr empfehlenswert).
    Vermutlich würden sich Laien sehr wundern, in wie vielen psychiatrischen Kliniken auch heute noch
     
seelisch in Not geratenen Patientinnen psychotherapeutische Gespräche versagt werden;
Patientinnen, die unbequeme Gefühlsäußerungen von sich geben oder sich selbst verletzen oder zugeben, dass sie sich mit Suizidgedanken tragen, ohne Umschweife auf die „geschlossene“ Abteilung verlegt werden; dort werden sie lediglich weggeschlossen; psychotherapeutische Gespräche finden in der Regel nicht statt;
Patientinnen bei Wut- oder Verzweiflungsausbrüchen „niedergespritzt“ werden (manchmal stürzen sich mehrere Pfleger auf eine Patientin, werfen sie buchstäblich nieder und injizieren ihr schwere Psychopharmaka);
Patientinnen, die als schwer depressiv gelten, mit Elektroschocks behandelt werden – ja, die Elektrokrampftherapie (ECT) boomt geradezu;
Patientinnen „fixiert“ werden – Kolleginnen, die das Gefühl haben, ohnmächtig zuschauen zu müssen, erzählen es mir in Supervisionsstunden unter dem Siegel der Schweigepflicht. Mir liegen Berichte vor, nach denen auch im Jahre 2003 Patientinnen bis zu 36 Stunden allein gelassen werden – das ist zwar verboten, aber wo kein externer Zeuge ist, ist kein Richter. Die Patientinnen werden also an Händen und Füßen gefesselt und ans Bett gebunden, ohne Möglichkeit, die Klingel zu erreichen, ohne Wasser, ohne Hilfe – dass sie „unter sich machen“ müssen, wird ihre Not und ihre Scham noch verschlimmern.
    Dies sind nur einige Beispiele, um zu zeigen: Die modernen Psychotherapien sind in einem Teil der psychiatrischen Kliniken noch keineswegs angekommen, und alte Methoden werden gern wieder aufgegriffen.
    Wenn ich in psychiatrischen Kliniken Vorträge, Fortbildungen und Supervisionen gebe, kommt mir – auch vom Pflegepersonal – oft noch das „alte psychiatrische Denken“, wie es genannt wird, entgegen und macht mich manchmal ratlos, verzweifelt oder wütend, obwohl ich doch gern die Kolleginnen gewinnen möchte. Es ist schwer, Einstellungen zu ändern, die sich in typischen Äußerungen zu erkennen geben wie: „Die Patientin gibt sich einmal so und einmal so – die spielt doch nur.“ (Die Äußerung kam auch nach Fortbildungen zu posttraumatischen Persönlichkeitsspaltungen und mehreren Supervisionen wieder.)
     
„Die (häufig wird der Name weggelassen oder nur der Nachname genannt) hat schon wieder so eine blutige Sauerei hier angestellt – und dann ist sie triumphierend rumgelaufen und hat ihre Schnitte rumgezeigt.“ (Nach Selbstverletzung.)
„Das sind doch alles Hysterikerinnen, die muss man bloß in den Senkel stellen, dann spuren sie wieder.“ (Über Patientinnen auf einer Traumastation.)
„Jetzt sollen wir die alle mit Samthandschuhen anfassen – früher hatten wir keine Probleme, da waren sie ruhig.“
„Lassen Sie sich bloß nicht von denen“ – gemeint sind die Patientinnen – „auf dem Kopf rumtanzen. Wenn Sie denen den kleinen Finger hinhalten, nehmen sie die ganze Hand.“
    Genügt das? Ich könnte seitenlang weiterschreiben, weil ich solche Horror-Sprüche, die ich leider oft genug zu hören bekomme, gerne loswerden und am liebsten verändern würde. Doch es gilt auch hier anzuerkennen, dass es Angehörige des Gesundheitswesens gibt, auch im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie, die erst einmal nicht oder auch: nicht mehr bereit sind, eine Patientin als in Not geratenen Mitmenschen respektvoll zu behandeln. Stattdessen mag eine Einstellung bei ihnen Fuß gefasst haben, die man so übersetzen könnte: „Die Patienten sind meine Feinde. Sie gehören einer Art niederer Lebewesen an. Ich darf ihnen nicht glauben, darf bloß nicht weich werden, denn sie wollen mich nur reinlegen. Die muss man bändigen und ruhig halten wie wilde Tiere, das ist das Beste.“
    Natürlich weiß jeder Angehörige des Gesundheitswesens, dass man so etwas im Jahr 2003 nicht laut sagen darf. Daher wollen selbst einige Kolleginnen aus

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