Trauma
Schicksal unser Angebot angenommen hatte. Eine zaghafte Festtagsstimmung schlich sich in unsere Unterhaltung.
Huey meldete sich mit einer Neuigkeit, die uns zwar Recht zu geben schien, uns aber trotzdem nicht dazu brachte, die Korken knallen zu lassen.
Als die Feuerwehrmänner die Brandstätte aufgeräumt und
ihre Schläuche verstaut hatten, war einem von ihnen aufgefallen, dass die Klapptür unseres am Straßenrand stehenden Briefkastens herunterhing. Im Kasten fand er ein Einmachglas, und im Glas einen gefalteten Zettel.
Auf dem Zettel stand eine Botschaft für uns in der ordentlichen Handschrift, die von der Polizei später erfolgreich mit Konrad Beezos Schreibkünsten verglichen wurde. Bekannt waren diese aus den Aufnahmeformularen des Krankenhauses, die er in der Nacht meiner Geburt für seine Frau Natalie ausgefüllt hatte. Eigentlich war es mehr als eine Botschaft, es war ein Versprechen: WENN IHR IRGENDWANN EINEN JUNGEN BEKOMMT, HOLE ICH IHN MIR.
TEIL VIER
Ich wollte nur Unsterblichkeit
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Kein Menschenleben sollte ständig von Angst erfüllt sein. Wir sind zum Staunen, zu Freude, Hoffnung und Liebe geboren; wir sind dazu geboren, das Geheimnis unseres Daseins zu bewundern, hingerissen die Schönheit der Welt zu betrachten, nach Wahrheit und Sinn zu suchen, Weisheit zu erwerben und durch unseren Umgang mit anderen den Winkel der Erde, an dem wir uns befinden, heller zu machen.
Nur dadurch, dass er unsichtbar in einem fernen Schlupfloch existierte, machte Konrad Beezo die Welt zu einem dunkleren Ort, aber dennoch lebten wir im Licht, nicht in seinem Schatten.
Niemand kann uns Glück schenken. Glücklich zu sein ist eine Wahl, die wir alle treffen können. Es gibt immer Kuchen.
Nach der Zerstörung unseres Hauses im Januar 1998 blieben Lorrie, Annie und ich erst einmal mehrere Wochen bei meinen Eltern.
Huey Fosters in der Brandnacht geäußerte Vermutung, aus unserem Haus könne nichts gerettet werden, bestätigte sich hinsichtlich der Möbel, der Haushaltswaren, der Bücher und Kleidungsstücke.
Allerdings scharrte man drei einigermaßen unversehrte Gegenstände aus der Asche, die als Erinnerungsstücke dienen konnten. Eine Halskette mit Gemme, die ich Lorrie einmal geschenkt hatte. Einen Christbaumanhänger aus Kristall, den Lorrie bei unseren Flitterwochen im kalifornischen Carmel in einem Souvenirladen erworben hatte. Und die Freikarte für den Zirkus, auf deren Rückseite mein Vater fünf schreckliche Daten notiert hatte.
Die Vorderseite der Karte war angesengt und wasserfleckig; die Wörter FÜR ZWEI und FREIER waren völlig verschwunden. Von den wunderschön gemalten Löwen und Elefanten konnte man nur noch wenige Reste erkennen, die wie Rätselbilder zwischen Brand- und Wasserflecken auftauchten.
Merkwürdigerweise war der Schriftzug LASST EUCH VERZAUBERN am unteren Rand der Karte fast so grell und deutlich wie eh und je. In diesem neuen Zusammenhang kam er mir so unheilvoll vor, wie ich es bisher nie empfunden hatte. Wie eine versteckte Drohung.
Noch merkwürdiger kam es mir vor, dass die Rückseite der Karte von Feuer und Wasser fast unversehrt war. Hier war das Papier nur leicht vergilbt; die fünf Daten in der Handschrift meines Vaters ließen sich leicht ablesen.
Die Karte roch nach Rauch. Es wäre nicht ganz wahrheitsgemäß, wenn ich behaupten würde, sie hätte außerdem nach Schwefel gerochen.
Anfang März machten wir uns daran, ein neues Haus zu suchen, vorzugsweise in der Nähe meiner Eltern. Am Ende des Monats wurde ihr Nachbarhaus zum Verkauf angeboten.
Was Vorzeichen angeht, kennen wir uns aus. Wir machten ein Angebot, das die Besitzer nicht ablehnen konnten, und unterschrieben am fünfzehnten Mai den Kaufvertrag.
Wären wir reich gewesen, dann hätten wir ein ganzes Anwesen kaufen können, mit einer Mauer rundherum und einem einzelnen, rund um die Uhr bewachten Tor. Ein Haus neben dem meiner Eltern war jedoch die größtmögliche Annäherung an den Lebensstil des Corleone-Klans, die wir zustande brachten.
Nach Annies Geburt ging unser Leben mehr oder weniger so weiter wie bisher, nur dass das Thema Kaka und Pipi mehr im Vordergrund stand. Ich finde es äußerst ärgerlich, dass das Nobelpreiskomitee ziemlich merkwürdigen Leuten den Friedensnobelpreis
verleiht, während man Jahr für Jahr versäumt, die Person zu ehren, von der die Wegwerfwindel mit Klebeverschluss erfunden wurde.
Entwöhnt werden musste Annie nicht. Nach fünf Monaten wandte sie sich entschieden von
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