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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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erreicht hatte, zögerte er und warf einen Blick zurück. »Ich werde dich nie vergessen, Rudy Tock. Niemals!«

    Meinem Vater wurde nicht recht klar, ob es sich bei dieser Ankündigung um den Ausdruck fehlgeleiteter Zuneigung handelte – oder um eine Drohung.
    Beezo stieß die Tür auf und verschwand.
    Sogleich eilte Dad in das andere Entbindungszimmer zurück, weil seine erste Sorge verständlicherweise meiner Mutter und mir galt.
    Noch immer lag meine Mutter auf dem Geburtsbett, auf dem Dad sie vor wenigen Augenblicken entdeckt hatte. Sie hatte auch noch immer ein graues Gesicht und war schweißgebadet, aber immerhin war sie wieder bei Bewusstsein.
    Sie stöhnte vor Schmerz und blinzelte vor Verwirrung.
    Ob sie nur desorientiert oder regelrecht im Delirium war, ist heute ein gewisser Streitpunkt zwischen meinen Eltern. Mein Vater behauptet jedenfalls, er habe Angst um sie gehabt, als sie gesagt habe: »Wenn du zum Abendessen Käse aufs Brot willst, müssen wir noch in den Supermarkt, welchen kaufen.«
    Mom hingegen behauptet, in Wirklichkeit habe sie gesagt: »Glaub nach dem ganzen Theater hier bloß nicht, dass du mich jemals wieder anrühren darfst, du mieser Bock.«
    Die Liebe der beiden reicht tiefer als Begierde, als Zuneigung, als Achtung, so tief, dass ihre Quelle der Humor ist. Humor ist ein Blatt an der Blüte der Hoffnung, und die Hoffnung blüht an der Ranke des Vertrauens. Die beiden haben Vertrauen zueinander und Vertrauen darin, dass das Leben Sinn hat. Aus diesem Vertrauen entsteht ihre unerschütterliche gute Laune, die ihr größtes Geschenk füreinander ist – und für mich.
    Ich bin in einem Haus aufgewachsen, das voller Lachen war. Egal, was mir in Zukunft zustoßen mag, dieses Lachen habe ich genossen. Und sehr, sehr leckeres Gebäck.
    In diesem Bericht über mein Leben werde ich immer wieder Zuflucht zur Heiterkeit nehmen, denn Lachen ist die beste Medizin
für das gequälte Herz und Balsam für das Elend. Täuschen werde ich euch dabei jedoch nicht. Ich werde das Lachen nicht als Schleier nutzen, um euch den Anblick von Grauen und Verzweiflung zu ersparen. Wir werden zusammen lachen, aber manchmal wird das Lachen wehtun.
    Daher …
    Ob meine Mutter sich im Delirium befand oder bei klarem Verstand war, ob sie meinem Vater die Schuld an ihren schmerzhaften Wehen gab oder bemerkte, man müsse noch Käse besorgen, muss also im Dunkeln bleiben, aber darüber, was dann geschah, sind die beiden sich einigermaßen einig. Neben der Tür entdeckte mein Vater an der Wand ein Telefon, mit dem er um Hilfe rief.
    Weil es sich bei dem betreffenden Gerät eher um eine Sprechanlage als um ein Telefon handelte, hatte es keine vollständige Tastatur, sondern nur vier deutlich beschriftete Tasten: PERSONAL, APOTHEKE, HAUSMEISTER und WACHDIENST.
    Dad drückte die letztgenannte Taste und teilte dem sich meldenden Wachmann mit, dass Menschen erschossen worden seien, dass der als Clown verkleidete Täter in diesem Augenblick aus dem Gebäude flüchte und dass Maddy sofort ärztlichen Beistands bedürfe.
    Falls meine Mutter bisher nicht bei klarem Verstand gewesen sein sollte, dann war sie es jetzt, denn sie rief vom Bett aus: »Wo ist mein Baby?«
    Den Hörer noch am Ohr, drehte mein Vater sich ebenso verblüfft wie angstvoll zu ihr um. »Du weißt nicht, wo es ist?«
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte meine Mutter erfolglos, sich aufzusetzen. »Woher soll ich das denn wissen?«, fragte sie. »Ich bin in Ohnmacht gefallen oder so. Was hast du da gesagt, jemand ist erschossen worden? Um Himmels willen, wer denn? Was geht hier eigentlich vor? Wo ist mein Baby? «

    Obgleich das Entbindungszimmer keine Fenster hatte und von Fluren und anderen Zimmern umgeben war, die es zusätzlich vor der Außenwelt abschirmten, hörten meine Eltern in der Ferne leises Sirenengeheul.
    Aus Dads Erinnerung stieg ein Bild auf, bei dem ihm plötzlich übel wurde: Beezo, der im Flur stand, mit der Pistole in der rechten Hand und dem Baby im linken Arm. Bittere Säure brannte in Dads Kehle, und sein ohnehin gequältes Herz jagte noch schneller als bisher.
    Vielleicht war nicht nur die Frau von Beezo bei der Geburt gestorben, sondern auch das Kind. Vielleicht war der Säugling im Arm des Clowns nicht sein eigener gewesen, sondern der kleine James – oder die kleine Jennifer – Tock.
    Mir kam das Wort »gekidnappt« in den Sinn, sagt Dad, wenn er von diesem Augenblick erzählt. Ich hab an das Baby von Charles Lindbergh gedacht und

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