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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Tausendfüßlerkissen angefangen.
    Mom setzte sich in ihrer Nische an die Staffelei, um am Porträt eines Collies zu arbeiten, der nach dem Wunsch seines Herrchens mit kariertem Schal und Cowboyhut dargestellt werden sollte.
    Als ich über mein Leben und das soeben genossene Abendessen nachdachte, kam mir naturgemäß das Wort »exzentrisch« in den Sinn. Was ich über die Tocks schreibe, klingt ohne Zweifel sonderbar und ungewöhnlich. Das sind meine Verwandten auch, und das ist einer der Gründe, weshalb ich sie liebe.
    Allerdings ist jede Familie auf ihre Weise exzentrisch, ebenso wie jeder einzelne Mensch. Wie die Tocks, so hat auch jeder andere seine Ticks.
    Exzentrisch bedeutet eigentlich vom Üblichen abweichend, also von dem, was für normal gehalten wird. In unserem Kulturkreis gibt es diesbezüglich einen Konsens, aber der ist breit wie ein Fluss, nicht schmal wie das Hochseil im Zirkuszelt. Versäumen wir es, die exzentrischen Aspekte von uns selbst zu sehen und uns darüber zu amüsieren, so neigen wir zu ungeheurer Selbstgefälligkeit. Auf ihre eigene Weise ist jede Familie so exzentrisch wie meine, das kann ich garantieren. Wer sich dieser Wahrheit öffnet, der öffnet sein Herz für das wahre Menschsein.
    Lest Dickens, der wusste Bescheid.
    Die Menschen in meiner Familie wünschen sich nicht, etwas anderes zu sein als das, was sie sind. Sie stutzen sich nicht zurecht, um andere zu beeindrucken.
    Sie finden Sinn in ihrem ruhigen Glauben, im Zusammensein und in den kleinen Wundern ihres Alltags. Sie brauchen keine Ideologie oder Philosophie, um sich zu definieren. Sie werden
definiert, indem sie leben, mit allen Sinnen, mit Hoffnung und mit ihrem Lachen, zu dem sie immer bereit sind.
    Fast seit dem Augenblick, als ich Lorrie Lynn Hicks in der Bücherei begegnet war, war mir klar gewesen, dass sie alles wusste, was Dickens gewusst hatte, egal, ob sie ihn gelesen hatte oder nicht. Ihre Schönheit lag weniger in ihrem Aussehen als in der Tatsache, dass sie sich nicht von freudschen Theorien bestimmen ließ und das auch nie zulassen würde; sie war niemandes Opfer und sie würde sich von niemandem etwas vormachen lassen. Sie wurde nicht von dem angetrieben, was andere ihr angetan hatten, nicht von Neid und nicht von einem Gefühl moralischer Überlegenheit, sondern von den Möglichkeiten, die das Leben bot.
    Ich legte das Buch mit dem elefantösen Privatdetektiv beiseite und stemmte mich aus dem Sessel auf den Gehwagen. Die Räder quietschten leise.
    In der Küche angelangt, zog ich hinter mir die Tür zu und ging zum Wandtelefon.
    Eine Weile stand ich da und wischte mir die feuchten Handflächen am Hemd ab. Zitternd. Diese Nervosität war weniger heftig, aber dafür tief reichender als alles, was ich beim Anblick von Punchinellos Pistole empfunden hatte.
    Es war das Zittern eines Bergsteigers, der in Rekordzeit den höchsten Berg der Welt erklimmen will und weiß, dass er nur in einem bestimmten Zeitfenster seines Lebens die Fähigkeiten und die Körperkraft haben wird, um seinen Traum zu verwirklichen, und der fürchtet, Bürokraten, Unwetter oder das Schicksal könnten ihn aufhalten, bis diese Phase zu Ende gegangen ist. Wer aber wird er dann sein? Was wird dann aus ihm werden?
    In den sechs Wochen seit der Nacht der Clowns hatten wir oft miteinander telefoniert. Ich hatte mir Lorries Nummer schon lange eingeprägt.
    Ich tippte drei Ziffern ein – und legte auf.

    Mein Mund war trocken geworden. Quietschend rollte ich den Wagen zu einem Schrank, holte ein Wasserglas heraus, rollte quietschend zum Waschbecken. An einem speziellen Hahn füllte ich das Glas mit gekühltem, gefiltertem Wasser.
    Zweihundertfünfzig Gramm schwerer, aber noch immer mit trockenem Mund, kehrte ich zum Telefon zurück.
    Ich tippte fünf Ziffern ein – und legte auf.
    Ich traute meiner Stimme nicht. Ich übte: »Hallo, ich bin’s, Jimmy.«
    Selbst ich hatte es inzwischen aufgegeben, mich James zu nennen. Wenn man erkennt, dass man gegen ein elementares Gesetz des Universums ankämpft, dann ist es besser, vor der Natur zu kapitulieren.
    »Hallo, ich bin’s, Jimmy. Tut mir leid, wenn ich dich aufgeweckt hab.«
    Meine Stimme war zittrig und zwei Oktaven höher geworden. So hatte ich mich seit meinem dreizehnten Lebensjahr nicht mehr angehört.
    Ich räusperte mich, versuchte es noch einmal und hörte mich wie etwa fünfzehn an.
    Nachdem ich sechs Ziffern eingetippt hatte, war ich schon wieder dabei aufzulegen. Dann tippte ich doch

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