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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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tollkühn die siebte ein.
    Lorrie hob beim ersten Läuten ab, als hätte sie neben dem Telefon gesessen.
    »Hallo, ich bin’s, Jimmy«, sagte ich. »Tut mir leid, wenn ich dich aufgeweckt hab.«
    »Ich bin erst vor einer Viertelstunde heimgekommen. Bin noch nicht im Bett.«
    »Hat Spaß gemacht heute Abend.«
    »Mir auch«, sagte sie. »Deine Familie ist toll.«
    »Hör mal, eigentlich sollte man so was nicht am Telefon tun,
aber wenn ich es nicht tue, kann ich nicht schlafen. Dann liege ich wach, mache mir Sorgen, dass sich mein Zeitfenster schließt und dass ich die letzte Chance auf den Berg verpasse.«
    »Schon gut«, sagte sie, »aber wenn du dich derart rätselhaft ausdrücken willst, mache ich mir lieber Notizen, damit ich später eventuell rausbekommen kann, worüber du dich ausgelassen hast. Okay, ich hab Kuli und Papier.«
    »Zuerst mal: Ich sehe nicht gerade toll aus.«
    »Wer sagt das?«
    »Spieglein, Spieglein an der Wand. Außerdem bin ich ein Tollpatsch. «
    »Das behauptest du immer, aber ich hab noch nicht besonders viele Beweise dafür gesehen – außer in Augenblicken wie diesem. «
    »Ich konnte schon nicht tanzen, bevor man mir diese Stahlplatten ins Bein operiert hat. Jetzt werde ich mich im Ballsaal ungefähr so graziös präsentieren wie Dr. Frankensteins Erstgemachter. «
    »Du brauchst bloß die richtige Lehrerin. Ich hab schon einmal einem blinden Paar das Tanzen beigebracht.«
    »Und schließlich bin ich Bäcker. Vielleicht werde ich eines Tages auch Konditor, aber beides bedeutet, dass ich nie ein Millionär sein werde.«
    » Möchtest du denn ein Millionär sein?«, fragte Lorrie.
    »Eigentlich nicht. Dann würde ich mir dauernd Sorgen machen, wie ich es schaffe, das ganze Geld nicht zu verlieren. Wahrscheinlich sollte ich es mir wünschen, ein Millionär zu sein. Manche Leute sagen, ich bin nicht ehrgeizig genug.«
    »Wer?«
    »Was?«
    »Wer sagt, du bist nicht ehrgeizig genug?«
    »Wahrscheinlich jedermann. Noch was, ich reise nicht besonders
gern. Die meisten Leute wollen gern die Welt sehen, aber ich bin ein häuslicher Mensch. Ich finde, man kann die ganze Welt innerhalb einer Quadratmeile sehen, wenn man weiß, wie man schauen muss. Deshalb werde ich auch nie große Abenteuer in China oder dem Königreich Tonga erleben.«
    »Wo liegt denn das Königreich Tonga?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Bin nie in Tonga gewesen. Wahrscheinlich werde ich auch Paris und London nie kennenlernen. Manche Leute würden das als tragisch bezeichnen.«
    »Wer?«
    Von meiner Selbstkritik mitgerissen, fuhr ich fort: »Außerdem bin ich völlig unkultiviert.«
    »Nicht völlig.«
    »Manche Leute meinen, schon.«
    »Die wieder.«
    »Wer?«
    »Manche Leute.«
    »Wir wohnen in einem der berühmtesten Wintersportorte der Welt«, sagte ich, »und ich kann nicht Ski fahren. Hab nie Lust gehabt, es zu lernen.«
    »Ist das ein Verbrechen?«
    »Es verrät einen Mangel an Abenteuerlust.«
    »Manche Leute können auf Abenteuer absolut nicht verzichten«, sagte Lorrie.
    »Ich schon. Und alle Welt ist scharf auf Wandern, Marathonlaufen und Krafttraining. Da werde ich nie dazugehören. Ich mag Bücher, lange Mahlzeiten mit guten Gesprächen und lange Spaziergänge mit guten Gesprächen. Wenn man mit fünfzig Meilen pro Stunde eine Skipiste herunterdonnert, kann man sich nicht unterhalten. Bei einem Marathonlauf auch nicht. Übrigens, manche Leute sagen, ich rede zu viel.«
    »Die sind ziemlich überheblich, was?«

    »Wer?«
    »Manche Leute. Interessiert es dich eigentlich, was man über dich denkt, von deiner Familie einmal abgesehen?«
    »Eigentlich nicht. Und das ist seltsam, meinst du nicht? Schließlich ist es nur wahnsinnigen Soziopathen egal, was andere von ihnen halten.«
    »Hältst du dich denn für einen wahnsinnigen Soziopathen?«, fragte Lorrie.
    »Vielleicht könnte ich einer werden.«
    »Das glaube ich aber nicht.«
    »Wahrscheinlich hast du recht. Man muss nämlich abenteuerlustig sein, um ein guter wahnsinniger Soziopath zu sein. Man muss Gefahren und Veränderungen lieben und gern Risiken eingehen, und so bin ich einfach nicht. Ich bin träge. Ich bin langweilig. «
    »Und deshalb hast du mich angerufen – um mir mitzuteilen, dass du ein träger, langweiliger, redseliger, nicht abenteuerlustiger, gescheiterter Soziopath bist?«
    »Na ja, schon auch, aber das ist alles nur die Einleitung.«
    »Zu was?«
    »Zu etwas, was ich am Telefon nicht fragen sollte, sondern von Angesicht zu Angesicht,

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