Traumfabrik Harvard
fragten sie, schreibt die Universität das
Vermögensmanagement nicht frei aus? Und wie passten solche Gehälter zu der Ankündigung, Studenten, deren Eltern weniger als
40.000 Dollar pro Jahr verdienen, die Gebühren zu erlassen, was als großer historischer Meilenstein gefeiert wird, aber gerade
mal 2 Millionen Dollar kostet?
Eine
Folge immerhin hatte die Intervention: Das Personal wurde ausgewechselt oder verließ Harvard aus freien Stücken. Um die Gehälter
der neuen Garde legte sich ein Mantel des Schweigens. Sollte Harvard einen zweiten David Swensen gefunden haben, der sich
als Chief Investment Officer der Yale University trotz traumhafter Renditen mit einem Gehalt von knapp 1,5 Millionen Dollar
zufrieden gibt? Sehr wahrscheinlich ist das nicht.
Teilweise hängen die verblüffenden Erfolge der Hochschulen im
fundraising
mit der Faszination aller Beteiligten zusammen, an einem großen Rad mit zu drehen, wären also, wenn man so will, selbst produziert.
Für die generalstabsmäßig durchgeplanten und inszenierten
big money-
Kampagnen trifft das sicherlich zu. Vier der 28 Forschungsuniversitäten, die Anfang 2008 mit großen Spendenkörben auf Sponsorenjagd
waren, hatten erst 2000 eine ähnliche Kampagne hinter sich gebracht, die allen mehr als die angestrebte Zielzahl in die Kasse
spülte – Cornell, Johns Hopkins und der NYU jeweils mehr als eine Milliarde, der Columbia University sogar 2,8 Milliarden
Dollar. Auch für Stanford, Yale und Princeton handelte es sich um eine Wiederauflage früherer Kampagnen. Für die zehn staatlichen
Einrichtungen unter den 28 Aspiranten war es jedoch der erste Versuch. Warum sich so viele Universitäten in das immer dichter
besetzte, immer |211| härter umkämpfte und immer schwerer kalkulierbare Feld stürzen, erläuterte Martin Shell, Vice President for Development der
Stanford University. Fundraising-Kampagnen »provide a vehicle to raise the most money, and they are focused on ideas that
individuals want to invest in« (
Chronicle
, 22.2.2007).
Das scheint in der Tat ein sehr wirkungsvolles Rezept: Einzelpersonen wie Stiftungen das Gefühl zu vermitteln, an einer großen
und wichtigen Sache, einem faszinierenden Projekt mitzuwirken, das die Hochschule ohne ihr Mittun nicht realisieren könnte,
und zugleich auf den Herdentrieb zu bauen. Typischerweise kommt nämlich eine Großspende nicht allein, sondern zieht etliche
andere nach sich. Das gilt sogar für anonyme Spenden. Ist schon viel Geld im Topf, weist das ein Projekt als vertrauenswürdig
aus und gut betuchte Freunde und Förderer der Hochschule wollen sich nicht länger lumpen lassen, etwas dazu beizusteuern.
Die größten Schwierigkeiten für Milliarden-Kampagne liegen demnach am Beginn – es braucht eine zündende Idee, die potentielle
Wohltäter begeistern kann und den Prioritäten der Hochschule entspricht, und es gilt, eine erste spektakuläre Spendenzusage
einzuwerben. Weil nun aber jede Universität, die in den Kampagnen-Ring tritt, nach knackigen Themen und möglichst auch einem
Alleinstellungsmerkmal sucht, mündet das »development«-Geschäft ironischerweise in einer ganz besonderen Art strategischer
Planung ihres wissenschaftlichen und institutionellen Profils.
In den letzten Jahren musste manche Hochschule die bittere Lektion lernen, dass auch im Spendengeschäft nicht alles Gold ist,
was glänzt, sondern dass es schwer kalkulierbare Risiken beinhaltet. So hatte das erzkatholische Saint Mary’s College in San
Francisco im festen Vertrauen auf eine Spendenzusage von 112 Millionen Dollar und auf die Bonität des Spenders ein hohes Darlehen
aufgenommen und bereits 17 Millionen für ein neues naturwissenschaftliches Laborgebäude verbaut, als der Deal 2004 platzte:
Der Gerne-Groß-Spender war tief in einen Immobilienskandal verwickelt und wanderte ins Gefängnis. Kein Gebet zur Namenspatronin
konnte den Schaden heilen, und zu allem Überdruss erntete das College obendrein noch viel Spott. Der NYU erging es kaum besser,
als der in der feinen New Yorker Gesellschaft hoch gehandelte Opern-Mäzen und hauptberufliche Geldmanager Alberto W. Vilar
2005 angeklagt wurde, seine Kunden bestohlen zu haben, um seine spendablen Eskapaden zu finanzieren. Eine Zusage von 23 Millionen
Dollar für ein spektakuläres »Alberto Vilar Global Fellows Program« für darstellende Künstler löste |212| sich in Luft auf – und damit auch die Hoffnungen der
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