Traumfabrik Harvard
Universität, einen guten Zugang zu den vermögenden Kreisen der Kunstwelt
zu erhalten (
Chronicle
, 8.12.2006, A 25ff.). Dass Spender den Mund zu voll nehmen und später kleinlaut Abstriche von ihren Versprechungen machen
oder manchmal auch ganz davon Abstand nehmen müssen, weil sich die Geschäfte schlechter entwickeln als gedacht, ist schon
dutzendfach vorgekommen.
Möchtegerns und Schwindler sind indes nur eine Gefahrenquelle im Spendenzirkus. Mit der gebotenen Vorsicht gegenüber allzu
wohltönenden Versprechungen, mit sorgfältigen Recherchen und klaren Kautelen lassen sich solche Schäden vermeiden oder wenigstens
begrenzen. Anders sieht es aus, wenn es um inhaltliche oder politische Konflikte geht und wirtschaftliche Macht ins Spiel
kommt. So schoss ein Ehepaar dem
endowment
der Woodrow Wilson School for Public and International Affairs der Princeton University 1961 anonym 35 Millionen Dollar zu.
Mit der Spende verband es die Maßgabe, aus den Erträgen ein Programm zu finanzieren, das
graduate students
für international ausgerichtete Tätigkeiten in der US-Regierung qualifizieren sollte. 2006 waren aus den 35 Millionen Dollar
750 Millionen geworden – und die Erben der Spender verklagten die Universität beim höchsten Gericht New Jerseys. Sie machten
geltend, Princeton habe sich über den Stifterwillen hinweggesetzt und 100 Millionen Dollar zweckentfremdet, und forderten
das Geld zurück – selbstredend nicht 35, sondern 750 Millionen Dollar. 2007 wurde der Fall im Wesentlichen abschlägig beschieden.
Aber der Flurschaden, den er anrichtete, war immens. Das Vertrauensverhältnis zwischen Spendern und Empfängern hatte gelitten,
Befürchtungen vor einer allzu kurzen Stifter-Leine neue Nahrung erhalten.
Dass auch die Religion ein vermintes Gelände und Exerzierfeld für Spender-Willkür sein kann, erfuhr das hoch angesehene College
of William and Mary im Frühjahr 2007. Die umstrittene Anweisung seines neuen Präsidenten Gene R. Nichol, das große Kreuz aus
der Collegekapelle zu entfernen und einzulagern, damit sich dort Angehörige aller Glaubensrichtungen aufgehoben fühlen könnten,
sorgte für heftigen Streit auf dem Campus und weit über dessen Grenzen hinaus. Ein ungenannt bleibender Spender war darüber
so empört, dass er eine Zusage von 12 Millionen Dollar für die Fundraising-Kampagne des College zurückzog. Den Präsidenten
kostete das den Kopf: Nach einer zweiten umstrittenen Entscheidung in einer politisch aufgeladenen Frage zog der Hochschulrat
ein halbes Jahr später die Reißleine und verwies den Freigeist des Amtes.
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|213| Erster Epilog: Was Hochschulen alles für ihre Finanzen tun
In den vorangehenden Abschnitten haben wir gesehen, wie erfinderisch amerikanische Hochschulen sind, wenn es um die Erschließung
von Einnahmequellen geht, dass sie ihr institutionelles Vermögen professionell managen, und dass ihre Position auf dem stark
umkämpften Markt genauso stark davon abhängt, wie gut sie sich finanziell schlagen wie von ihren Leistungen und ihrer Reputation
in Lehre und Forschung. Die Pflege enger Beziehungen zu Alumni, Mäzenen und Vertretern der Politik und Wirtschaft lassen sich
viele einiges kosten. Nicht wenige beschäftigen sogar professionelle Lobbyisten auf dem Washingtoner Parkett. Steht eine größere
fundraising-Kampagne
an, werden die
development offices
zu Schaltzentralen für das strategische Hochschulmarketing. Der nötige Ideen-Input kommt teils aus der akademischen Verwaltung,
das heißt vom
Provost
,
Chancellor
oder Vizepräsidenten, und teils von den Hochschulräten. Für den Verkauf des Pakets ist aber stets der Präsident zuständig.
Die
leadership
amerikanischer Universitäts- oder Collegepräsidenten bemisst sich inzwischen längst nicht mehr nur daran, ob und wie es ihnen
gelingt, die »organisierte Anarchie« der Hochschulen zu bewältigen, sondern auch und vor allem in der Beziehungspflege nach
außen und am Erfolg im
fundraising
.
Was aber machen die vielen hundert Hochschulen, die unterhalb der Glamour-Schwelle ihrer Arbeit nachgehen und weder große
Vermögen noch potente Mäzene im Rücken haben? Wie sichern sie ihr finanzielles Überleben, und was machen sie, um einen Fuß
ins Geldgeschäft zu bekommen? Die folgenden Beispiele bieten einen kleinen Einblick in die unternehmerische Kultur und die
Strategien, vor allem aber in den Ehrgeiz, die Findigkeit und die Chuzpe,
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