Traumfabrik Harvard
mit denen US-Hochschulen ihre Ressourcensicherung
betreiben.
Hat eine Einrichtung hochfliegende Pläne, aber kein Geld, um sie zu verwirklichen, kann sie einen Kredit auf dem Kapitalmarkt
aufnehmen. Prinzipiell steht diese Möglichkeit auch staatlichen Hochschulen offen. Faktisch machen davon aber fast ausschließlich
private Gebrauch. Die Darlehenssicherung erfolgt meist über Hypotheken auf die Hochschulliegenschaften. Moody’s Investors
Service bewertet fortlaufend die Kreditwürdigkeit von derzeit mehr als 300 amerikanischen Universitäten und Colleges. Wollen
sie ein größeres Darlehen aufnehmen, hängt der Zinssatz stark vom jeweiligen Rating ab. Auch nicht bewertete Hochschulen können |214| sich verschulden, müssen aber höhere Zinsen berappen. Die scharfe Krise auf dem amerikanischen Hypotheken- und Kreditmarkt
seit der Jahresmitte 2007 hat einige Hochschulen auf kaltem Fuß erwischt und hart getroffen, weil sie im Vertrauen auf äußerst
niedrige oder sogar noch weiter fallende Zinsen hohe Darlehen mit variablem Zinssatz aufgenommen hatten, um größere Investments
langfristig zu finanzieren. Durch den raschen Verfall des Marktes schossen die Zinsen in die Höhe, und eine Refinanzierung
der Darlehen wurde immer schwieriger und teurer – zumal, wenn Moody’s das Rating der Hochschule, wie in einigen Fällen geschehen,
drastisch senkte. So stieg der Zinssatz für einen Kredit der Stanford University mit einem Volumen von 186 Millionen Dollar
im Januar 2008 von einer Woche auf die andere um fünf Prozentpunkte von drei auf acht Prozent, aber der Titel ließ sich nicht
mehr verkaufen, weil der
auction rate
market
zusammengebrochen war. Aus der Traum vom billigen Geld. Der Universität blieb nichts anderes übrig, als den Kredit schnellstmöglich
abzulösen, was sie sich, anders als weniger finanzstarke Einrichtungen, zu ihrem Glück auch leisten konnte (
Chronicle
, 6.3.2008).
Die Aufnahme solcher Darlehen erfolgt in der Regel im Zusammenhang mit langfristigen Expansions- oder Umbauplänen. Obwohl
manche Hochschulen in ihren laufenden Geschäften rote Zahlen schreiben, wird keine auf die Idee kommen, das Defizit durch
einen Kredit zu decken, sofern sie nicht bereits konkrete Schritte für einen effektiven Umschwung vor Augen hat. Darlehen
sind insoweit ein fast untrügliches Zeichen für eine Hochschule in Bewegung und ambitionierte strategische Planungen – aber
auch für eine »typisch amerikanische« Unternehmenskultur in der akademischen Welt. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit können
dieses Phänomen plastisch illustrieren.
Die private Quinnipiac University in Hamden, Connecticut, ist bei einem laufenden Haushalt von 235 Millionen mit 488 Millionen
Dollar bis über beide Ohren verschuldet (
Chronicle
, 7.3.2008, A 1 ff.). Trotz der sich verdüsternden Perspektiven für die US-Wirtschaft nahm sie 2007 so viele neue Darlehen
auf, dass sich ihre Kreditschulden vervierfachten. Dabei finanziert sich die Hochschule weitgehend aus Studiengebühren, betreibt
kein professionelles
fundraising
und verfügt über ein Vermögen von nur 266 Millionen Dollar, das im Wesentlichen aus angesparten Betriebsgewinnen stammt. 2007
wies sie einen Überschuss von 36 Millionen Dollar aus – eine beachtliche wirtschaftliche Leistung bei 7.500 Studenten, die
inklusive Unterbringung und Verpflegung für ihr Studium jeweils knapp |215| 40.000 Dollar pro Jahr berappen müssen. Mit dem geborgten Geld will Quinnipiac in den nächsten zehn bis zwölf Jahren seine
Studienplätze um 20 Prozent erweitern und gleichzeitig seine Reputation verbessern, um besser qualifizierte Studienbewerber
anzulocken. Während der letzten zwanzig Jahre hatte sie zahlreiche neue Programme in
graduate and professional
studies
aufgelegt, ihre überregionale Präsenz damit gestärkt und die Studentenzahl verdreifacht. Jetzt will sie das Momentum nutzen,
um durch einen Investitionsschub und geschicktes Marketing weiter zu wachsen und sich auch qualitativ zu konsolidieren, was
beides eng miteinander zusammenhängt.
Das Skript für den strategischen
relaunch
liest sich wie ein Handbuch für das Hochschulmanagement: Dort, wo bisher unansehnliche Sportanlagen stehen, wird ein neuer
Campus mit einem architektonisch attraktiven
student
center
und mehr als 2.000 ansprechenden Wohnheimplätzen entstehen. Um das Erscheinungsbild der Hochschule zu liften, werden alle
Gebäude soweit nötig und möglich
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