Traumfabrik Harvard
amerikanischen Hochschulwelt nur zwei Einzelspenden mit einem Volumen von mehr
als 100 Millionen Dollar. 2007 verkündeten bereits elf Institutionen Schenkungen in dieser Größenordnung – mit Stand Ende
Mai (
Chronicle,
7.6.2007): Die University of Washington erhielt 105 Millionen Dollar von der Bill & Melinda Gates Foundation für den Aufbau
eines neuen Gesundheitsforschungszentrums; der Software-Unternehmer Thomas M. Siebel schenkte der University of Illinois 100
Millionen, deren Erträge Projekte zur alternativen Energieversorgung und in der Biotechnik finanzieren sollen, und für die
neue »school of leadership and public policy« der University of Virginia spendete deren Alumnus Frank Barren Sr., Chef einer
Medien-Holding, ebenfalls 100 Millionen. Als die William and Flora Hewlett Foundation die Stanford University 2001 mit 400
Millionen Dollar bedachte, war das eine Rekordsumme – aber sie kam von einer Institution. Im April 2007 fiel der Columbia
University in New York eine persönliche Spende in derselben Höhe zu. Anlässlich des 70. Jahrestags seines Bachelorabschlusses
gab der 92-jährige Medienmogul John W. Kluge bekannt, er habe seiner
alma mater
, der er bis dahin schon mit mehr als 100 Millionen Dollar unter die Arme gegriffen hatte, in seinem Testament 400 Millionen
Dollar aus seinem Vermögen von mehr als 9 Milliarden zugedacht: »Hätte ich nicht in Columbia studieren können, wäre mein Leben
völlig anders verlaufen.« (
New York Times
, 11.4.2007, B1) Das Geld, verfügte Kluge, solle genutzt werden, um bedürftigen Studenten die Studiengebühren zu erlassen
und die Stipendiensätze für Doktoranden anzuheben. »Ich finde es viel wichtiger, in Menschen zu investieren als in Gebäude«,
erklärte er zur Begründung. Im erbitterten Kampf der Elite-Hochschulen um die besten Talente kommt Columbia eine solche Finanzspritze
sehr zupass, weil ihr relativ bescheidenes
endowment
von sieben Milliarden Dollar keine ähnlich großzügigen Studienbeihilfen erlaubt, wie sie Harvard und Yale ihren Studenten
seit kurzem anbieten.
Anders, als man vielleicht erwarten würde, tragen Einzelpersonen und Alumni nur knapp zur Hälfte zum gesamten Spendenvolumen
bei. Seit längerer Zeit sind immer weniger Absolventen bereit, für ihre alte Hochschule tief in die Tasche zu greifen. Weil
Alumni, die spenden, in den letzten Jahren immer größere Beträge anwiesen, hat sich das bisher allerdings |208| noch nicht im absoluten Spendenaufkommen niedergeschlagen. Private Stiftungen, darunter viele Familienstiftungen, steuerten
2007 mit 28,6 Prozent jedoch schon etwas mehr dazu bei als Alumni mit 27,8 Prozent, und die Gewichte werden sich wahrscheinlich
noch weiter verschieben. Wenn der Megaspenden-Hype anhält, könnten institutionelle Sponsoren die individuellen bald schon
marginalisieren. Schon jetzt haben sich viele Hochschulen daran gemacht, ihr
fundraising
stärker auf die Anliegen von Stiftungen oder auf die Vorlieben reicher Mäzene abzustimmen. Allerdings haben nur sehr wenige
potente Geldgeber eine eigene Agenda vor Augen. Stiftungen und Großspender wollen mit ihrem Geld zwar einen möglichst großen
Effekt erreichen, einen Unterschied machen, wie es immer heißt. Die inhaltliche Arbeit und Strategie einer Hochschule tangiert
das aber meist nicht oder wenn, dann in einer Weise, die mit deren institutionellen Zielen kompatibel ist und ihren Prioritäten
nicht zuwider läuft. So erhielt Princeton im April 2008 eine persönliche Spende von 20 Millionen Dollar für ein neues Center,
das sich gemeinsamen Kursen für Studenten aus den Ingenieurwissenschaften und den
liberal arts
widmen soll – ein Anliegen, das der Universität sehr am Herzen liegt (
Chronicle
, 7.4.2008). Die Ironie will es, dass der edle Spender Dennis J. Keller, Mitbegründer der DrVry Inc., ist, eines börsennotierten
Bildungsunternehmens, das mit großem Erfolg eine kommerzielle Mega-Hochschule gleichen Namens betreibt, an der für solche
Verrücktheiten wie
liberal arts
und Ethik kein Platz ist.
In jüngster Zeit schwappte eine Welle anonymer Großspenden über die US-Hochschulen. Im ersten Halbjahr 2007 meldeten fünf
Hochschulen anonyme Spenden mit Volumina von jeweils mehr als 50 Millionen Dollar: Die University of Michigan erhielt 50 Millionen
für ihr Herz-Kreislauf-Zentrum, das kleine, feine Middlebury College in Vermont 60 Millionen ohne Angabe eines speziellen
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