Traumfabrik Harvard
Verwendungszwecks, ein weiteres
liberal arts
college
, die Washington and Lee University in Virginia, und die University of Chicago jeweils 100 Millionen Dollar für Hilfen für
Studenten aus einkommensschwachen Familien. Manche professionelle Spendensammler sehen darin bereits den Vorboten eines neuen
Trends im Hochschulsponsoring. »Donors just don’t want their name in public«, bemerkte der Vizepräsident von Middlebury, weil
ihnen sonst alle Wohltätigkeitsvereine die Türen einrennen würden (
Chronicle
, 3.8.2007). Vom noblen Spender in Chicago ist lediglich bekannt, dass es sich um einen Alumnus handelt. Die Universität,
schrieb er in einem Brief, habe »a profound effect on my life and in particular on allowing me to survive untold failure and
persevere in |209| mad adventures that have rewarded me with the financial resources to make this gift« (
Chronicle
, 1.6.2007). Derartige Bekenntnisse bilden den
basso
continuo
für die Semantik des »giving back«. Das Phänomen anonymer Spenden deutet darauf hin, dass es Spendern offenbar tatsächlich
nicht nur um die Befriedigung persönlicher Eitelkeiten geht.
Die
endowments
amerikanischer Universitäten und Colleges haben mittlerweile Schwindel erregende Höhen erklommen. Der Vermögenswert der 765
in der jüngsten Erhebung der NACUBO (National Association of College and University Business Officers) erfassten Einrichtungen
betrug am Ende des Geschäftsjahres 2006/07 411 Milliarden Dollar, ungefähr 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor (
Chronicle
, 1.2.2008, A 13). Fast ein Viertel dieser gewaltigen Summe entfiel auf die fünf reichsten »trailblazer« – Harvard, Yale,
Stanford, Princeton und das University of Texas System, eine Holding der öffentlichen Hochschulen in Texas mit fast 200.000
Studenten. 78 Institutionen nannten jeweils mehr als eine Milliarde Dollar ihr eigen. Das mittlere
endowment
pro Student betrug bei den privaten Universitäten und Colleges 15.000 und bei den reichsten zehn Prozent von ihnen sogar 450.000
Dollar (
Chronicle
, 31.3.2007). Zwischen 1997 und 2007 warfen Hochschulvermögen eine durchschnittliche Rendite von 8,6 Prozent pro Jahr ab –
trotz der Baisse an der Wall Street 2001 und 2002 mit Verlusten von 3,6 und 6,0 Prozent. Brachten es Hochschulen mit
endowments
von weniger als 100 Millionen Dollar 2006/07 auf nur 15,9 Prozent, konnten sich die milliardenschweren Universitäten über
21,3 Prozent Zuwachs freuen – ein Ergebnis professionell gemanagter Portfolios und diversifizierter Anlagestrategien.
Erfolge oder manchmal auch Misserfolge im
fundraising
und Finanzmanagement der Hochschulen werden fortlaufend dokumentiert. Alle großen Zeitungen berichten regelmäßig ausführlich
darüber. Das frei zugängliche Datenmaterial dazu ist differenzierter und viel besser aufbereitet als das über Studienerfolge
oder die beruflichen Karrieren von Absolventen. Schließlich geht es hier ja auch um eine Art sportlichen Wettkampf, in dem
das staunende Publikum zugleich Resonanzboden und Katalysator ist. Mit einem
endowment
von 34,9 Milliarden Dollar ist Harvard uneinholbarer Spitzenreiter der reichen Unis. Dank der Hebelwirkung großer Investments
konnte es sein Vermögen in den letzten zehn Jahren verdreifachen. 2006/07 erzielte Harvard eine Anlagerendite von 23 Prozent,
obwohl die Finanzmanager mit einem Hedgefund 350 Millionen Dollar Verlust eingefahren hatten, und ließ damit fast alle anderen
Konkurrenten weit hinter |210| sich – mit Ausnahme von Yale und Notre Dame, die mit 28 beziehungsweise 27 Prozent geradezu Traumrenditen einfuhren.
Solch glänzende Geschäfte bieten gelegentlich aber auch Anlass zu Irritationen in der friedlichen Hochschulgemeinde. Im Sommer
2004 beispielweise wurde ruchbar, dass Harvard seine fünf Top-Vermögensverwalter im vorangegangenen Geschäftsjahr mit sage
und schreibe 107,5 Millionen Dollar vergütet hatte – eine Summe, die den Studiengebühren für 4.000 Studenten entsprach. Die
Kunde davon provozierte einige einflussreiche Alumni zu ungewöhnlichen Protesten. In einem offenen Brief bezeichneten sie
solche Gehälter als »obszön« und kündigten an, sie wollten ihre Unterstützung einstellen. Harvard konterte, erfolgsabhängige
Tantiemen seien im Finanzsektor gang und gäbe, und die ausgezeichnete Kapitalentwicklung habe schließlich bewiesen, dass die
Leute ihr Geld wert wären. Die Kritiker ließen sich damit nicht abspeisen. Warum,
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