Traumfabrik Harvard
Legitimität und einen Platz im Koordinatensystem gesellschaftlicher Beziehungen,
sondern vor allem auch einen Zugang zu wichtigen organisatorischen Netzwerken und personellen Ressourcen – sprich zu einem
Platz am Tisch bedeutender und gut betuchter Entscheidungsträger.
Trustees
sind, um es auf den Punkt zu bringen, ebenso
trustbroker
wie »Spendengenerierer«. Im selben Maße, in dem amerikanische Universitäten und Colleges nach neuen Einkommensquellen |224| schielen und stärker auf privates Geld setzen, nehmen sie diese zweite Aufgabe ihrer board-Mitglieder immer ernster:
Trustees
sind, daran gibt es längst keinen Zweifel mehr, ein entscheidender Faktor für die
fundraising
Kapazitäten aller Hochschulen geworden.
Das lässt sich an einer ganzen Reihe von Phänomenen ablesen. So setzen die meisten Hochschulen bei der Rekrutierung neuer
trustees
inzwischen stark auf Personen, die »business-savvy« und in der Wirtschaft gut vernetzt sind (
Chronicle
, 1.7.2005, A21), darüber hinaus aber auch über die notwendige Finanzkraft verfügen, um sie aus der eigenen Tasche großzügig
unterstützen zu können. Knapp die Hälfte macht keinen Hehl daraus, dass sie neben dem Rat ihrer Aufsichtsräte auch auf deren
Geld aus ist. In der jüngsten Befragung des
Chronicle
gaben zwar nur 15 Prozent der
trustees
an, ihre Hochschule erwarte eine jährliche Spende von ihnen, möglichst für den »unrestricted annual fund«. Doch die stillschweigende
Übereinkunft lautet anders. Das weiß jeder
trustee
, bevor er Mitglied wird. Sich dem Spendenansinnen zu verweigern, gehört sich nicht, und wer es dennoch wagen sollte, muss
damit rechnen, dass ihn seine Kollegen auf die Verfehlung aufmerksam machen.
Trustees,
so wird geschätzt, tragen ungefähr ein Siebtel zu den Spenden für eine Hochschule bei.
Durch die spektakulären Mega-Spenden und ambitionierten Fundraising-Kampagnen ist die Lage inzwischen unübersichtlicher geworden,
der Erwartungsdruck gegenüber den
trustees
allerdings eher noch gewachsen. Als die private Tufts University aus der Nähe von Boston im Herbst 2006 eine 1,2 Milliarden-Kampagne
ankündigte, hatte sie bereits 615 Millionen Dollar in der Kriegskasse – die zur Hälfte von den 39 Mitgliedern ihres
board
kamen. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Hobart and William Smith Colleges in Upstate New York, David H. Deming, nahm sich
daran ein Vorbild. Zur 160 Millionen-Kampagne seiner vornehmen
liberal arts
Einrichtung, gab er als Linie aus, müssten die
trustees
mindestens ein Drittel beisteuern, besser noch 40 Prozent. Mit potenziellen Kandidaten für das
board
redete er sofort Tacheles: »I give them numbers«, erklärte er dem
Chronicle
(11.5. 2007, A16) – je nach Vermögen für einen Sitz 10.000 bis 25.000 Dollar an jährlichen Spenden sowie zwischen 250.000
und 3 Millionen für die Kampagne. Wer das nicht zahlen will, hat keine Chance auf Zuwahl. Basta.
Doch dieses Rezept verfängt nicht überall. Kleine und mittelgroße private Colleges zeigen sich zunehmend unzufrieden mit den
»fundraising abilities« ihrer Aufsichtsräte. Bei einer Befragung von 274 Präsidenten im |225| Frühjahr 2008 glaubte nur ein Prozent, dass die
trustees
ihrer Hochschule mit den »basics of raising money« gut vertraut seien (
Chronicle
, 2.4.2008). Wie die Geschichte weitergeht, dürfte damit klar sein: Mehr und mehr Hochschulen werden allen neu antretenden
Aufsichtsräten einen »Basiskurs Fundraising« abverlangen – den diese selbstverständlich aus eigener Tasche bezahlen müssen.
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false
|227| Zu guter Letzt: Was macht den Unterschied?
Der Kreis unserer Erkundungsreise schließt sich: Sie führte aus den luftigen Höhen republikanischer Träume von
opportunity and achievement
über die Untiefen des beinharten Hochschulwettbewerbs durch die Wirren immer neuer Aufgaben und Formen der
higher education
ins ikonische Zentrum der Veranstaltung, das
American college
mit seiner speziellen
mission
und Gestalt, und kam beim
nervus rerum
zum Halt. Im ersten Kapitel hatten wir aus der Vogelperspektive nach Besonderheiten des US-Hochschulwesens gefragt und einige
Überlegungen dazu angestellt, warum es als
exceptional
gelten kann. Jetzt ist es an der Zeit, den Befund differenzialdiagnostisch abzurunden: Durch welche Charakteristika unterscheidet
sich das
institutional
setting
, das institutionelle Arrangement, amerikanischer Hochschulen von dem in Deutschland? Was ist »typisch
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