Traumfabrik Harvard
Hochschule erzwungen hätten, ist nicht belegt. Während der McCarthy-Jahre
haben sie sogar oft ihre schützende Hand über den akademischen Betrieb gehalten und Versuche politischer Einflussnahme abgewehrt
(Gould 1975). Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass das
board
den Präsidenten vor Ablauf seiner Amtszeit feuert – wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten, weil er die in ihn gesetzten Erwartungen
enttäuscht oder vereinbarte Ziele nicht erreicht hat. Das kommt zwar nicht gerade täglich vor, aber öfter, als man vielleicht
denkt.
Wer sind denn nun die
trustees
amerikanischer Hochschulen, und wofür stehen sie (ein)? Mit Ausnahme der Mitglieder
ex officio
handelt es sich nicht um Repräsentanten organisierter Interessen, politischer Parteien oder religiöser Vereinigungen, sondern
um Personen, von deren Kenntnissen, Urteilskraft und Geschäftssinn sich andere
trustees
oder (in staatlichen
boards
) der Gouverneur einen Beitrag zur Entscheidungsfindung versprechen. Etwa ein Viertel der privaten Hochschulen gesteht ihren
Alumni ein oder sogar zwei Plätze im
board
zu. Doch auch deren gewählte Repäsentanten sind keine Interessenvertreter im engeren Sinne, weil Alumni kaum als homogene
Interessensgruppe durchgehen können. Politisch neigen
trustees
stark dem republikanischen Lager zu. Das ist nicht überraschend, weil die meisten ja in führender Stellung in der Wirtschaft
tätig sind, die schon seit langem fest auf die Republikaner setzt. 95
Analysiert man die soziodemographischen Merkmale der
trustees
, fallen Parallelen zum athenischen Areopag auf: Sie sind zu zwei Drittel männlich, zur Hälfte in der Wirtschaft und zu 22
Prozent freiberuflich tätig. Fast alle sind weiß, und jeder zweite ist über 60 Jahre alt. Vertreter sogenannter »minorities«
– Schwarze, Hispanics und Asiaten – sind stark unterrepräsentiert. Hinsichtlich ihrer religiösen Zugehörigkeit, Hautfarbe
und Bildungsabschlüsse bilden die
trustees
einen Mikrokosmos der besseren Kreise Neuenglands. Dass es sich um eine wirtschaftliche Elite handelt, zeigt der Blick auf
ihre Einkommensverhältnisse: Nur fünf Prozent bewegten sich |223| 2005 in der Gegend des mittleren Haushaltseinkommens (rund 48.000 Dollar), 28,6 Prozent verdienten zwischen 100.000 und 250.000
Dollar und fast 20 Prozent mehr als 500.000 Dollar (16,8 Prozent verweigerten die Auskunft). Ein beträchtlicher Anteil der
trustees
privater Hochschulen bekleidet Aufsichtsratsämter in einem oder mehreren Unternehmen, die in der
Fortune 100-
Liste aufgeführt sind. Bei näherem Hinblicken zeigen sich weitere interessante Unterschiede zwischen dem staatlichen und privaten
Sektor:
Trustees
staatlicher Hochschulen verdienen weniger, haben doppelt so häufig eine schwarze Hautfarbe und eine positivere Einstellung
zum Collegesport und zu teuren
athletic programs
. Hatten 2005 15 Prozent von ihnen Einkommen von mehr als 500.000 Dollar, waren es im privaten Sektor fast doppelt so viele,
nämlich 29 Prozent (
Chronicle
, 11.5.2007, A13). Das ist besonders bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, dass private
boards
im Schnitt dreimal so viele Mitglieder haben wie die öffentlichen. Neben mehr Finanzkraft bringen sie auch viel bessere Kontakte
zur Welt des »big business« mit, wie eine 2006 erschienene Studie über die
trustees
von zehn der reichsten privaten und von zehn der besten staatlichen Forschungsuniversitäten klar zeigen konnte (Pusser u.a.
2006).
In den
boards
sitzen demnach überwiegend einflussreiche Leute. Je größer und bedeutender die Hochschule, desto wahrscheinlicher findet man
ihre Mitglieder im »Who is Who in Corporate America« und unter den Partnern großer, feiner Anwaltskanzleien. Weil es in den
boards
vorrangig um leises Strippenziehen, dezente Hintergrundarbeit, Beratung statt lautstarkes Consulting geht, fehlen
celebrities
aus dem Showbusiness und Sport auf der Liste. Auch nach Künstlern und Wissenschaftlern wird man vergeblich suchen; im Aufsichtsrat
der eigenen Hochschule dürfen sie keinen Sitz einnehmen, und in dem einer anderen allenfalls dann, wenn sie eine Firma gegründet
haben und leiten. Die
trustees
sollen ihrer Hochschule mit Rat zur Seite stehen, aber natürlich auch mit Tat. Sie sind eine wichtige Informationsquelle,
verbürgen sich als Verbindungsoffiziere aber auch für die Einrichtung in der Außenwelt und »vermakeln« ihre Anliegen dorthin.
So verschaffen sie ihr nicht nur formale
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