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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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Identität«. Sie sind
     ebenso stolz und eigensinnig wie anpassungsfähig – und eifrig darauf bedacht, sich von ihren Mitkonkurrenten zu unterscheiden.
     Sie sind keine »Anstalten«, sondern stellen etwas dar. Das ist eine direkte Begleiterscheinung ihrer Eigenverantwortlichkeit:
     Sie sind nicht daran gehalten und nicht darauf aus, Aufgaben regelkonform zu erledigen, die ihnen Gesetze und Verordnungen
     zuweisen, sondern können über ihre Ziele, Eigenart und Arbeitsweise weitgehend selbst bestimmen. Egal, ob sie sich einem neuen
     Arbeitsfeld zuwenden, umstrukturieren, wachsen oder schrumpfen wollen – sofern ihr
board
zustimmt, das ein Advokat und Gralshüter der Einrichtung ist, aber keine ihr vorgesetzte Kontrollbehörde, können sie das tun.
     Allerdings muss sich jede Hochschule auf dem Markt positionieren und dem Wettbewerb mit anderen stellen. Dabei kann sie im
     großen Strom mitschwimmen, eine Marktnische bedienen oder eine für sich selber schaffen. Aber dafür braucht sie ein klares
     Verständnis ihrer Ziele und Aufgaben, Prioritäten und Handlungsmöglichkeiten. Das verlangt eine eigene
agency
von jeder Hochschule, die sie vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Anforderungen und Leitmotive für die Hochschulausbildung
     in ständigem Wettstreit mit anderen erproben und schärfen muss.
    Dadurch ist das amerikanische Hochschulsystem ständig im Fluss. Es wird nicht durch Flächentarifverträge, Rahmenvorgaben oder
     Kartellabsprachen gesteuert, sondern von der Nachfrage nach einer Collegeausbildung,
professional
und
graduate studies
geformt, von der staatlichen Forschungsförderung und Studienfinanzierung gespeist, aus vielen anderen Finanzquellen genährt,
     von hohen gesellschaftlichen Erwartungen getrieben – und nicht zuletzt durch das Verhalten der einzelnen Hochschulen maßgeblich
     geprägt. Feste Grenzen und klar abgesteckte Territorien kennt es nicht, sondern verbindet sehr effektiv eine große institutionelle
     Differenzierung und Vielfalt mit hoher Inklusionsfähigkeit. In diesem Arrangement spielen der »Eigensinn« jeder Hochschule,
     ihr »Stil« und ihre Gründungsmythen |230| eine große Rolle, aber auch die
communities
, die sich ihr zurechnen und denen sie wiederum »dient«. 96 So gehen Traditionspflege (insbesondere in prestigeträchtigen Einrichtungen, aber nicht nur dort) und zupackender, optimistischer
     Bewegungsdrang eine schillernde, gelegentlich auch paradoxe Verbindung ein. Weil zentrale Steuerungsmedien und -instanzen
     fehlen, herrscht kein Homogenisierungsdruck. Vielfalt ist ausdrücklich erwünscht.
    Ob dieses institutionelle Arrangement effizient ist – darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Die ausufernden Kosten
     für ein Studium haben viele Zweifel daran genährt. Teure Schattenseiten des
anything goes
sind überdeutlich: Intransparenz des Marktes, Reibungsverluste und Wettbewerbsverzerrungen durch problematische Anreize und
     Signale, um nur die wichtigsten zu nennen. Selbst die gepriesene Wettbewerbsordnung besitzt ein Janusgesicht: Zwar spornt
     die heftige Konkurrenz Hochschulen zur kritischen Überprüfung und Nachbesserung ihrer Leistungen und Portfolios an, nötigt
     sie zur Selbst- und Marktbeobachtung und befördert ihre
agency.
Auf der anderen Seite generiert sie aber auch hohe Kosten und zweischneidige Phänomene – man denke nur an das akademische
     Wettrüsten im Umfeld der Hochschulzulassung, an die Bieterkriege um Starprofessoren und an die vielen sündhaft teuren Prestigeprojekte,
     von denen sich einzelne Hochschulen einen Wettbewerbsvorteil versprechen wie riesige Sportarenen und semi-professionelle Basketball-
     oder Lacrosse-Teams, deren Trainer oft mehr als der Hochschulpräsident verdienen. Der ungezügelte Wettbewerb bietet nicht
     unbedingt eine Gewähr für hohe Risikobereitschaft und Innovationsfreude. Manche Einrichtungen wollen alles richtig machen
     und kopieren schlicht die erfolgreichen Trendsetter.
Best practices
werden dann zur Regel, und der Wettbewerbsdruck produziert Konformität. Doch trotz solcher Ambivalenzen und Schattenseiten
     besitzt das amerikanische Hochschulwesen dank seines institutionellen Arrangements eine viel höhere Elastizität, stärkere
     Dynamik und ungleich größere Leistungspotenziale als das ordentliche, staatlich durchgeregelte und finanzierte Hochschulsystem
     in Deutschland.
     
    2.
Educational philosophy:
Die Einbettung der amerikanischen Hochschulen in eine Kultur, die von
education
und

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