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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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Töne hervorbringt, mag eine müßige
     Frage sein. Aber könnte man sich vorstellen, dass eine deutsche Universität ihren Hut mit ähnlichen Worten in den »Exzellenzwettbewerb«
     wirft? Wohl kaum.
    In unserem Versuch, den Aufgaben- und Gestaltwandel der Hochschulbildung und Hochschulen in Amerika besser zu verstehen, haben
     wir einige ihrer unterschiedlichen Stadien und Grundmuster Revue passieren lassen: Die zaghaften, glaubensfesten protestantischen
     Anfänge, ihre allmähliche Verweltlichung und ihr langsames Einsickern in alle Gruppen und Poren der amerikanischen Gesellschaft
     seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, ihre Verwissenschaftlichung und die Herausbildung der
American
university
als einer neuen, einzigartigen Hochschulform zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ihre beispiellose Expansion und »materielle Verstaatlichung«
     nach 1945, den Aufstieg der
research university
zu einer neuen S-Klasse von Hochschule und die zunehmende Vielfalt, ja sogar Balkanisierung des Hochschulsystems. Eines der
     verblüffendsten Ergebnisse war, dass die Leitmotive der amerikanischen Hochschulentwicklung über alle Metamorphosen und scheinbaren
     Ungereimtheiten hinweg nicht nur unverändert geblieben sind, sondern immer stärker zum Ausdruck und zum Tragen kamen: Unternehmensgeist
     und institutioneller Ehrgeiz, Offenheit nach außen und Beweglichkeit im Innern, kooperativer Wettbewerb – und
last, but not least
das enorme Gewicht institutionellen Prestiges. Welches Bild die institutionelle Landschaft derzeit bietet und welche Schneisen
     sich |90| darin schlagen lassen, um das Gestrüpp zu lichten, ist das Thema des dritten Kapitels.

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|91| 3 Flaggschiffe, Linienschiffe und Yachten: Eine kleine Flottenkunde amerikanischer Hochschulen und ihrer Schlachtordnung
    In den vorangehenden Kapiteln haben wir in etlichen Schleifen zu zeigen versucht, dass und warum sich die Topographie der
     amerikanischen Hochschullandschaft jeder Systematik versperrt. Wer einen »geordneten Überblick« bekommen oder sich gar einen
     vernünftigen Reim auf ihre Verhältnisse machen will, dem bieten weder Gesetze und Verordnungen noch die Statuten von Hochschulverbänden
     verlässliche Hilfe. Bei dieser frustrierenden Feststellung müssen wir es aber nicht bewenden lassen. In den 1970er Jahren
     war nämlich das Unbehagen an der hausgemachten Unübersichtlichkeit auch in den USA so groß geworden, dass ein Klimawechsel
     einsetzte. Hochschulen wollten wissen, wo sie stehen, Studieninteressenten verlangten nach Entscheidungshilfen bei der Hochschulwahl,
     und angesichts explodierender Kosten forderte schließlich auch die Politik harte Daten über die Arbeit der Hochschulen.
    1973 lagen erstmals Tabellen vor, die versprachen, die wilden amerikanischen Hochschulgewässer zu erfassen und plausibel zu
     ordnen. 1985 ließ die Zeitschrift
U.S.News & World Report
(USNWR) ihre erste Ranking-Bombe platzen. Aussagewert und Nutzen der verschiedenen Klassifikationen und Rankings sind umstritten.
     Die Signal- und Steuerungswirkungen, die absichtlich oder unabsichtlich damit einhergehen, sind alles andere als unumstritten.
     Doch in Hochschulen und Hochschulorganisationen, Politik und Öffentlichkeit werden sie nichtsdestotrotz begierig aufgegriffen.
     Dem Missverhältnis zwischen Orientierungsbedarf und Orientierungsangeboten ist es zuzuschreiben, dass »league tables« zu einer
     nicht mehr wegzudenkenden Größe in der amerikanischen Hochschulszene werden konnten. Aber ist die Unordnung damit wirklich
     kleiner oder wenigstens die Übersichtlichkeit besser geworden? Gibt es vielleicht inzwischen doch ein stimmiges Register der
     amerikanischen Hochschulflotte, angefangen von den staatlichen
flagship institutions
über die privaten Luxusliner bis hin zu den kleinen Schaluppen, die auf Binnengewässern kreuzen?
    |92| Die Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching legte erstmals 1973 eine »Classification« vor, die den Wirrwarr im
     real existierenden Hochschulwesen der USA lichten sollte, ohne dessen enorme Vielfalt anzutasten. Eine »mission impossible«,
     könnte man meinen. Doch die Tatsache, dass sich eine hoch angesehene, einflussreiche Stiftung ihrer annahm, garantierte dafür,
     dass das Unternehmen zumindest in dem Sinne erfolgreich war, wie man es in Amerika erwartet: »It made a difference.« Die Carnegie
     Classification (CC) – inzwischen ein eingetragenes Warenzeichen – identifizierte Gruppen von

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