Traumfabrik Harvard
Hochschulen, die sich durch bestimmte
empirische Merkmale sinnvoll von anderen abgrenzen ließen und ordnete jede Hochschuleinrichtung einer dieser »classifications«
zu. Einschließlich der 2005/06 veröffentlichten sechsten Auflage ist ihr Design seither dreimal gründlich überarbeitet, erweitert
und verfeinert worden. Die Zahl der gelisteten Hochschulen wuchs dabei ständig: Waren es 2000 noch 4.197, umfasst die jüngste
Edition bereits 4.392. Die CC bietet den einzigen kompletten »Atlas« all jener Hochschulen, die von einer der sechs regionalen
Agenturen institutionell akkreditiert worden sind. Aus einem Instrument, das eigentlich nur Projektarbeiten und Forschungen
der Carnegie Foundation im amerikanischen Hochschulwesen unterstützen sollte, wurde ein beliebter und vielseitig verwendungsfähiger
Orientierungsrahmen. In hochschulpolitischen Standortbestimmungen sind die
classifications
eine gängige Münze, und sehr viele, wenn nicht sogar die meisten Homepages von Hochschulen enthalten unter der Rubrik »About«
oder »Facts & Figures« einen Hinweis auf ihre dortige Gewichtsklasse. 29
Die Zugehörigkeit zu einem Cluster reflektiert Aktivitäten und Merkmale einer Hochschule so, wie sie sich in einzelnen Kennzahlen
darstellen. Über ihre Qualität oder ihr Prestige besagt das zunächst nichts. Die CC verzichtet ausdrücklich auf Bewertungen.
Ihre Unterscheidungen, Typen und Zuordnungen ergeben sich nicht aus normativen Setzungen, sondern sollen die Verhältnisse
so beschreiben »wie sie sind«. Stiftung und Projektverantwortliche werden nicht müde zu betonen, dass die CC eine Karte der
amerikanischen Hochschulen zeichnen soll, aber keine Rangfolgen angeben. Trotzdem werden die
classifications
häufig als Prestigeklassen missverstanden und »Aufstiege« oder »Abstiege« einzelner Hochschulen von einer Auflage der CC zur
nächsten aufmerksam registriert.
Die neueste ließ das Grundgerüst von sechs »basic classifications« unverändert, stellte ihm aber neue Rubriken zur Seite –
zum Beispiel das »enrollment profile« der
undergraduates
, das Profil des Lehrangebots oder die |93| Größe und geographische Lage eines College (Stadt oder Land). Das erlaubt es, jede Hochschule in einer mehrdimensionalen Matrix
zu verorten und ihre Zuordnung zu einer der sechs Grundklassen weiter aufzufächern. Spannend daran ist, dass damit ganz neue
Muster entstehen: Ein und dieselbe Hochschule kann sich nun in jeweils unterschiedlicher Gesellschaft mit anderen wiederfinden.
Die extrem heterogene, aber zahlenmäßig immens wichtige Gruppe der »Associate’s Colleges« wurde stark aufgefächert. Damit
wollte man gewährleisten, dass die rasch expandierenden Community Colleges, die in Studien über das amerikanische Hochschulwesen
und in öffentlichen Diskussionen meistens unter dem Radarschirm bleiben, ihrer tatsächlichen Bedeutung entsprechend in der
CC auftauchen. Eine weitere delikate Veränderung betraf die Kategorie der Forschungsuniversitäten. Ob eine Hochschule dazugehört,
richtete sich 2000 einzig und allein nach der Art und Zahl der von ihr verliehenen Doktorgrade. 2005/06 kam dafür ein Bündel
unterschiedlicher Indikatoren zur Anwendung, und statt bisher zwei gibt es nun drei Untergruppen von »Research Institutions«
.
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Seit dem Stapellauf der CC 1973 hat die Carnegie Foundation stets großen Wert darauf gelegt, die Hochschulen an ihrer Weiterentwicklung
und Verfeinerung zu beteiligen. Alle Änderungen werden vorab im Feld getestet und intensiv diskutiert. In der CC, könnte man
daher sagen, spiegelt sich der
common sense
in der Selbstverortung amerikanischer Hochschulen. Das macht sie aber noch längst nicht zu einem guten Reiseführer. Durch
die vielen Ergänzungen, Revisionen und Verfeinerungen wurde sie zwar immer reichhaltiger – aber gleichzeitig auch immer kleinteiliger,
komplizierter und unübersichtlicher. Inzwischen muss man lange Glossare studieren um zu verstehen, worum es in den vielen
Zeilen und Spalten geht – und selbst das hilft nicht immer. Gruppen in den einzelnen Unterkapiteln sind nicht deckungsgleich,
Querverweise kaum möglich. Der Wahrheitsfindung mag mit dieser hohen Pixelzahl gut gedient sein – aber um den Preis geringerer
Klarheit. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Schließlich wollte die Stiftung mit der verfeinerten CC den kommerziellen
Hochschulführern etwas entgegensetzen und Informationen liefern,
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