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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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nicht alle an der Forschung interessierten Hochschulen
     gleichermaßen gut gerüstet, um im Verteilungskampf ein Stück davon abzubekommen. Von denjenigen, die sich bereits vor dem
     Zweiten Weltkrieg der Forschung zugewandt hatten,
graduate studies
anboten und sich in
departments
organisierten, verstanden es etliche, die Gunst der Stunde zu nutzen und mit einem reichen Portfolio staatlich finanzierter
     Forschungsprojekte den Gestaltwandel zu veritablen Forschungseinrichtungen zu bewerkstelligen. Aber nur wenige Hochschulen
     verfügten über die nötige kritische Masse an wissenschaftlichem Potenzial, um interessante Projektanträge erarbeiten zu können.
     Noch weniger besaßen das wissenschaftliche und politische
standing,
um solche Anträge erfolgreich durchzubringen und die externen Gutachter von deren wissenschaftlicher Qualität zu überzeugen.
     Waren die Karten erst einmal gemischt und hatten einige Hochschulen Großprojekte an Land ziehen können, setzte eine spiralförmige
     Bewegung ein, an deren Ende der Kreis potenzieller Kandidaten in zwei Klassen zerfiel – die
haves
und die
have nots
. In der Forschungslotterie hat auffallend oft die besten Chancen, wer in der Vergangheit schon einmal erfolgreich war und
     eine gute Reputation aufbauen konnte – ein Phänomen positiver Rückkopplung und sich verstärkender Erwartungen, das der amerikanische
     Soziologe Robert K. Merton 1968 unter dem Namen »Matthäuseffekt« bekannt gemacht hat. Auch die 1950 gegründete National Science
     Foundation (NSF) und die anderen staatlichen Fördereinrichtungen beherzigten die Weisung aus dem Evangelium des Matthäus:
     »Denn wer da hat, dem wird gegeben |85| werden, daß er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.« 25
    Selbst wenn sich ihre Lobbyisten in Washington die Hacken abliefen, hatten es
newcomer
und kleine Hochschulen sehr schwer, in den erlauchten Kreis der »Federal Grant Universities« 26 vorzustoßen. 1950 gab es gerade mal 20 Universitäten, auf die diese Bezeichnung passte. Abgesehen von einem halben Dutzend
     großer staatlicher
flagship universities
waren es ganz überwiegend private Einrichtungen. Weil die Fördergelder unter dem Eindruck des Sputnik-Schocks nach 1957 kräftiger
     sprudelten, wuchs die Zahl solcher Forschungsuniversitäten bis 1970 auf 125 an. Heute umfasst dieser Kader gut 280 Mitglieder.
     Laut der jüngsten »Carnegie Classification« amerikanischer Hochschulen gab es 2005 zwar nur 96 Universitäten, die das Prädikat
     »very high research activity« verdienten. Doch wenn man auch die 103 Hochschulen mit »high research activity« sowie die 83
     weiteren als
research institutions
durchgehen lässt, in denen Forschung einen festen Platz hat, wären heute etwa elf Prozent der knapp 2.600
4-year institutions
das, was man in Deutschland unter einer »Universität« versteht.
    Wenn eine Hochschule in der Einwerbung von
federal research grants
erfolgreich ist, zeugt das von hoher wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit und Reputation. Aber das allein macht aus ihr noch
     längst keine Elite-Uni. Die Bezeichnung
elite school
signalisiert ein institutionelles Prestige, das mit wissenschaftlicher Leistung und Reputation nicht unbedingt deckungsgleich
     ist – und erst recht nicht mit Geld gemessen werden kann
.
Die gängige Elle dafür ist die »Selektivität« einer Einrichtung, das heißt der Prozentsatz von Studienbewerbern, die sie abweist
     – sind es mehr als die Hälfte, ist es eine
Elite School.
Ein hohes Forschungsbudget übersetzt sich nicht unmittelbar in hohes Prestige, während sich umgekehrt ein hohes institutionelles
     Prestige nicht direkt in üppigen
research grants
ausmünzt. Prestige und Reputation, Drittmittel und
selectivity
,
elite
und
research institutions
markieren jeweils unterschiedliche Kreise, die sich machmal überlappen, manchmal aber auch nicht.
    Der fulminante Aufstieg der Forschungsuniversitäten führte zu vielen weiteren tektonischen Verschiebungen und klimatischen
     Veränderungen in der US-Hochschullandschaft. Querbeet kam es zu einer neuen Gewichtsverteilung zwischen Lehre und Forschung.
     Für Hochschulen wie Professoren wurde Forschung tendenziell wichtiger als die Lehre, denn hier winkten Reputation und Geld.
     Wenn sie sich stärker in der Forschung engagierten, hatten beide etwas davon – die Hochschulen bekamen mehr finanziellen |86| Spielraum, die Professoren bessere Gehälter. Forschung lohnte sich mehr als

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